Wann ist ein Wettbewerbsverbot unverhältnismäßig?

1. Einleitung

Nachvertragliche Wettbewerbsverbote sollen Arbeitgeber schützen – aber nicht um jeden Preis. Viele Arbeitnehmer fragen sich: Wie weit darf mein ehemaliger Arbeitgeber eigentlich gehen? Darf er mir verbieten, in der gesamten Branche zu arbeiten? Oder mich zwei Jahre lang aus dem Berufsleben drängen?

Die Antwort lautet: Nur soweit es verhältnismäßig ist. Wann ein Wettbewerbsverbot unverhältnismäßig ist, hängt von konkreten Faktoren ab – und kann im Streitfall entscheidend sein.


2. Gesetzliche Grundlagen zur Verhältnismäßigkeit

Das nachvertragliche Wettbewerbsverbot ist in § 74 ff. HGB geregelt. Auch wenn das Handelsgesetzbuch primär für Handelsvertreter und leitende Angestellte gilt, wendet die Rechtsprechung die Grundsätze auch auf „normale“ Arbeitnehmer an, wenn ein Wettbewerbsverbot vertraglich vereinbart wurde.

Ein zentrales Kriterium ist die Verhältnismäßigkeit, abgeleitet aus dem allgemeinen Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 BGB) und dem im Arbeitsrecht geltenden Schutzgedanken für Arbeitnehmer.


3. Typische Kriterien für die Unverhältnismäßigkeit

Ein Wettbewerbsverbot kann unverhältnismäßig sein, wenn …

a) Der räumliche Geltungsbereich zu weit ist

Wenn das Verbot deutschlandweit oder sogar international gilt, obwohl der Arbeitnehmer nur regional tätig war, ist das meist nicht haltbar.

Beispiel: Ein Außendienstmitarbeiter für Bayern darf nicht generell für ganz Deutschland vom Wettbewerb ausgeschlossen werden.

b) Der sachliche Geltungsbereich zu unbestimmt ist

Wenn pauschal „jede Tätigkeit im selben Marktsegment“ verboten wird – unabhängig davon, ob ein echter Wettbewerbsbezug besteht –, fehlt es oft an einer ausreichenden Interessenabwägung.

Beispiel: Ein IT-Mitarbeiter mit Schwerpunkt SAP darf nicht pauschal aus der gesamten IT-Branche ausgeschlossen werden.

c) Der zeitliche Geltungsbereich zu lang ist

Nach § 74a Abs. 1 HGB darf das Wettbewerbsverbot maximal zwei Jahre nach Vertragsende gelten. Schon innerhalb dieser Grenze kann eine zu lange Dauer unverhältnismäßig sein, wenn der Arbeitgeber kaum Schutzinteresse darlegt.

d) Ein berechtigtes geschäftliches Interesse fehlt

Das Wettbewerbsverbot muss ein konkretes, berechtigtes Interesse des Arbeitgebers schützen – z. B. Kundenkontakte, Betriebsgeheimnisse oder strategisches Know-how. Fehlt dies, ist das Verbot nicht haltbar.

Beispiel: Ein Sachbearbeiter ohne Kundenkontakt und ohne Einblick in Geschäftsgeheimnisse darf nicht aus reinem Selbstzweck vom Wettbewerb ausgeschlossen werden.


4. Beispiele aus der Rechtsprechung

Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat mehrfach Wettbewerbsverbote gekippt, wenn sie zu weit gingen:

  • Ein bundesweites Verbot war bei rein regionalem Tätigkeitsbereich des Mitarbeiters nicht zulässig.
  • Ein zu weit gefasster Tätigkeitsbereich („jegliche Tätigkeit im Online-Marketing“) wurde als unverhältnismäßig eingeordnet.
  • Wettbewerbsverbot ohne echte Schutzfunktion für den Arbeitgeber ist nichtig.

5. Folgen eines unverhältnismäßigen Wettbewerbsverbots

Ein unverhältnismäßiges Wettbewerbsverbot ist entweder ganz oder teilweise nichtig (§ 138 BGB, § 75d HGB analog). Das bedeutet:

  • Der Arbeitnehmer ist nicht an das Verbot gebunden
  • Der Arbeitgeber muss trotzdem Karenzentschädigung zahlen, wenn er sich nicht von der Bindung löst (durch Verzicht nach § 75 HGB)
  • Oft bleibt nur der Weg über gerichtliche Klärung

Gerichte können ein zu weit gefasstes Verbot nicht „retten“ oder anpassen, sondern nur für unwirksam erklären – es gilt also: Klare und verhältnismäßige Formulierungen sind essenziell.

🔹 Unser Tipp: Lassen Sie Wettbewerbsverbote immer anwaltlich prüfen – besonders, wenn Sie sich in Ihrer beruflichen Freiheit eingeschränkt fühlen.


6. Unser Fazit zum Schluss

Wettbewerbsverbote müssen fair und ausgewogen sein. Sie dürfen den Arbeitnehmer nicht „beruflich kaltstellen“, nur um den Markt abzuschirmen. Fehlt es an einem echten Schutzinteresse oder geht das Verbot räumlich, sachlich oder zeitlich zu weit, ist es unverhältnismäßig – und damit unwirksam.

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