Inhalt
Einleitung
Wenn ein Unternehmen eine größere Umstrukturierung plant – zum Beispiel eine Betriebsschließung oder Massenentlassung – muss es mit dem Betriebsrat über einen Interessenausgleich verhandeln. Doch was passiert, wenn sich beide Seiten nicht einigen können? Viele Beschäftigte befürchten dann das Schlimmste – zu Recht? In diesem Beitrag erklären wir, was das Scheitern des Interessenausgleichs bedeutet und welche rechtlichen Konsequenzen sich daraus für Arbeitnehmer ergeben.
1. Was ist ein Interessenausgleich?
Ein Interessenausgleich ist eine Vereinbarung zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat über das „Ob“ und „Wie“ einer geplanten Betriebsänderung – etwa bei:
- Stilllegung oder Verlagerung von Betriebsteilen,
- Zusammenschluss oder Spaltung von Unternehmen,
- Massenentlassungen oder Umstrukturierungen.
Die Grundlage bildet § 111 Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG). Arbeitgeber müssen vor der Durchführung solcher Maßnahmen mit dem Betriebsrat verhandeln – es besteht eine Verhandlungspflicht, aber keine Einigungspflicht.
Merksatz: Der Interessenausgleich soll die Planung und Durchführung von Betriebsänderungen mit dem Betriebsrat abstimmen – ist aber keine Garantie für eine Einigung.
2. Wann gilt der Interessenausgleich als gescheitert?
Ein Interessenausgleich gilt als gescheitert, wenn:
- der Arbeitgeber sich verweigert, über die geplante Maßnahme zu verhandeln,
- der Betriebsrat und Arbeitgeber keine Einigung erzielen, obwohl ernsthaft verhandelt wurde,
- der Arbeitgeber die Maßnahme einseitig umsetzt, ohne dem Betriebsrat eine Chance zur Beteiligung zu geben.
Das Scheitern muss in der Regel festgestellt werden, z. B. durch eine entsprechende Erklärung des Betriebsrats oder durch ein Schreiben des Arbeitgebers.
🔹 Unser Tipp: Dokumentieren Sie als Betriebsrat sorgfältig den Verlauf der Verhandlungen – das ist entscheidend für einen möglichen Nachteilsausgleich.
3. Folgen für den Arbeitgeber: Nachteilsausgleich droht
Kommt kein Interessenausgleich zustande und der Arbeitgeber führt die Betriebsänderung trotzdem durch, kann das teuer werden: Dann haben betroffene Arbeitnehmer unter Umständen Anspruch auf Nachteilsausgleich gemäß § 113 BetrVG.
Voraussetzungen:
- Es liegt eine Betriebsänderung nach § 111 BetrVG vor,
- der Arbeitgeber hat nicht ernsthaft mit dem Betriebsrat verhandelt oder
- den Betriebsrat überhaupt nicht beteiligt,
- und der Arbeitnehmer erleidet Nachteile durch die Maßnahme (z. B. Kündigung, Versetzung).
Der Nachteilsausgleich ist kein Schadensersatz im klassischen Sinne, sondern eine pauschale Entschädigung, die oft mehrere Monatsgehälter betragen kann.
📌 Beispiel: Die Rechtsprechung entschied, dass ein Nachteilsausgleich auch dann gezahlt werden muss, wenn der Arbeitgeber die Betriebsänderung vorzeitig umsetzt und den Betriebsrat nicht ausreichend informiert hat.
Merksatz: Wer als Arbeitgeber ohne oder trotz gescheitertem Interessenausgleich handelt, riskiert hohe Nachzahlungen an gekündigte Arbeitnehmer.
4. Rechtsprechung und Beispiele aus der Praxis
In der Praxis zeigt sich: Gerichte nehmen das Erfordernis ernsthafter Verhandlungen sehr genau. Wer „pro forma“ verhandelt oder den Betriebsrat bloß informiert, handelt nicht gesetzeskonform.
Ein Arbeitgeber wurde zur Zahlung von sechs Monatsgehältern verurteilt, weil er den Betriebsrat über die Schließung nur informiert, aber nicht ernsthaft verhandelt hatte.
Auch wenn ein Arbeitgeber glaubt, die Maßnahme sei wirtschaftlich unausweichlich, entbindet ihn das nicht von der Pflicht zur Verhandlung.
🔹 Unser Tipp: Arbeitnehmer sollten prüfen lassen, ob eine Betriebsänderung ohne oder trotz gescheitertem Interessenausgleich erfolgt ist – das kann bares Geld bedeuten.
5. Unser Fazit zum Schluss
Ein gescheiterter Interessenausgleich ist kein Freibrief für den Arbeitgeber, seine Maßnahmen nach Belieben durchzusetzen. Im Gegenteil: Wer sich nicht um eine ernsthafte Einigung bemüht, läuft Gefahr, Nachteilsausgleichszahlungen leisten zu müssen. Für Arbeitnehmer lohnt es sich daher, genau hinzusehen – und im Zweifel anwaltlichen Rat einzuholen.
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