Was bedeutet Zugang unter Anwesenden?

Einleitung

Viele Arbeitnehmer erleben es irgendwann: Ein Schreiben wird Ihnen „einfach so“ überreicht – vielleicht eine Abmahnung, vielleicht sogar eine Kündigung. Aber wann gilt so ein Schreiben eigentlich als wirksam zugegangen? Und was bedeutet in dem Zusammenhang der Begriff „Zugang unter Anwesenden“?

Dieser Artikel erklärt, was rechtlich unter Zugang zu verstehen ist, warum der Moment der Übergabe so entscheidend sein kann – und wie Sie sich im Zweifel verhalten sollten.


1. Was bedeutet „Zugang“ überhaupt?

Im Arbeitsrecht – und allgemein im Zivilrecht – kommt es häufig darauf an, wann ein Schreiben wirksam zugeht. Der Zugang ist entscheidend für Fristen, z. B. wenn es um die Klagefrist nach einer Kündigung geht (§ 4 KSchG).

Ein Schreiben ist zugegangen, wenn es so in den Machtbereich des Empfängers gelangt ist, dass er unter normalen Umständen davon Kenntnis nehmen kann. Dabei reicht es nicht aus, dass das Schreiben irgendwo liegt – der Empfänger muss die Möglichkeit haben, es zur Kenntnis zu nehmen.


2. Zugang unter Anwesenden – Definition und Voraussetzungen

Wenn Absender und Empfänger sich gegenüberstehen, spricht man vom Zugang unter Anwesenden. Das ist z. B. der Fall, wenn Ihnen Ihr Chef ein Kündigungsschreiben persönlich überreicht – im Büro, in einem Meeting oder auf dem Flur.

Damit ein Schreiben unter Anwesenden zugeht, gilt:

  • Der Empfänger muss das Schreiben erhalten und die Möglichkeit haben, es zu lesen.
  • Er muss nicht zustimmen oder es nicht einmal öffnen – es genügt, dass er es physisch erhält.

Wichtig ist: Auch wenn der Arbeitnehmer das Schreiben nicht annehmen will, gilt es im Zweifel dennoch als zugegangen, wenn es ihm vor die Füße gelegt oder auf den Tisch gelegt wird, während er danebensteht.


3. Typische Situationen aus dem Arbeitsrecht

Einige Beispiele, bei denen der Zugang unter Anwesenden entscheidend ist:

  • Kündigung im Personalgespräch: Wird das Kündigungsschreiben im Gespräch übergeben, ist es in dem Moment zugegangen.
  • Übergabe im Büro oder in der Werkhalle: Auch hier ist der Zugang erfolgt, wenn das Schreiben überreicht oder hingelegt wird.
  • „Unterschreiben Sie das mal“ – und Sie weigern sich: Auch ohne Unterschrift ist das Schreiben zugegangen, wenn es Ihnen übergeben wurde.

Besonders relevant: Der Zugang unterbricht keine Fristen – eine Kündigungsschutzklage muss trotzdem innerhalb von drei Wochen erhoben werden (§ 4 Satz 1 KSchG).

🔹 Tipp: Wenn Sie ein unangenehmes Schreiben erhalten, notieren Sie sich Tag, Uhrzeit und Zeugen. Das kann im Streitfall entscheidend sein.


4. Wie lässt sich der Zugang nachweisen?

Arbeitgeber stehen oft vor dem Problem, dass sie den Zugang nachweisen müssen. Bei einem persönlichen Zugang ist es hilfreich, wenn:

  • Ein Zeuge anwesend ist (z. B. ein Kollege oder Betriebsrat).
  • Der Arbeitnehmer den Empfang quittiert – etwa durch Unterschrift auf einer Kopie.
  • Ein Übergabeprotokoll geführt wird.

Aber Achtung: Wenn der Arbeitnehmer den Empfang verweigert, kann der Zugang dennoch erfolgt sein – etwa wenn das Schreiben auf den Tisch gelegt wird und der Empfänger danebensteht.


5. Sonderfall: Zugang bei Übergabe vor Zeugen

Ein Sonderfall liegt vor, wenn der Empfänger die Annahme verweigert – und das Ganze passiert vor Zeugen. Dann gilt das Schreiben trotzdem als zugegangen, wenn es dem Empfänger ersichtlich übergeben werden sollte.

Beispiel: Der Arbeitgeber sagt „Hier ist Ihre Kündigung“, der Arbeitnehmer schlägt das Schreiben weg, und zwei Zeugen beobachten das. Ergebnis: Zugang erfolgt.

🔹 Unser Tipp: Wenn Sie in einer solchen Situation sind, holen Sie sich sofort rechtlichen Rat – denn die Fristen beginnen sofort zu laufen.


6. Was bedeutet das für Sie?

Wenn Sie ein Schreiben persönlich vom Arbeitgeber erhalten, gilt es im Regelfall sofort als zugegangen – ob Sie es lesen, unterschreiben oder wegwerfen, spielt keine Rolle.

Gerade bei Kündigungen kann das dramatische Folgen haben, weil Fristen beginnen zu laufen, ohne dass Sie es merken. Deshalb:

Ignorieren Sie keine Schreiben.
Handeln Sie sofort – besonders bei Kündigungen.
Sprechen Sie mit einem Fachanwalt, wenn Sie unsicher sind.

🔹 Fazit: Persönlich übergebene Schreiben sind sofort wirksam – und die Uhr tickt. Lassen Sie sich beraten, bevor Fristen ablaufen!

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