Wie erkennt man einen Rechtsmissbrauch?

Einleitung

Viele Arbeitnehmer fragen sich: Darf mein Arbeitgeber das überhaupt? Oder: Ist das noch rechtens – oder schon ein Missbrauch von Macht oder Rechten? Gerade im Arbeitsverhältnis ist das Machtgefälle oft spürbar. Wenn Entscheidungen willkürlich wirken oder gezielt schaden, liegt der Verdacht auf Rechtsmissbrauch nahe. Doch was genau bedeutet das – und wie kann man ihn erkennen?


1. Was bedeutet „Rechtsmissbrauch“ überhaupt?

Das Gesetz geht davon aus, dass Rechte redlich ausgeübt werden. Wer ein Recht nur deshalb nutzt, um anderen zu schaden, gegen Treu und Glauben verstößt oder den Zweck des Rechts verfehlt, missbraucht es.

Der Grundsatz ist in § 242 BGB geregelt:

„Der Schuldner ist verpflichtet, die Leistung so zu bewirken, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern.“

Im Arbeitsrecht spielt dieser Grundsatz eine große Rolle – etwa bei Kündigungen, Abmahnungen oder der Gestaltung von Arbeitsverträgen.


2. Woran erkennt man rechtsmissbräuchliches Verhalten?

Es gibt kein festes Schema, aber bestimmte Anzeichen, die hellhörig machen sollten:

  • Willkürliche Entscheidungen ohne sachliche Begründung
  • Doppelstandards: Ein Kollege wird geschont, Sie aber hart sanktioniert
  • Formale Rechte werden vorgeschoben, um in Wahrheit andere Zwecke zu verfolgen (z. B. „betriebsbedingte Kündigung“, obwohl der Betrieb floriert)
  • Missverhältnis zwischen Anlass und Reaktion (z. B. Kündigung wegen Kleinigkeiten)
  • Kettenbefristungen, die nur den Zweck haben, Kündigungsschutz zu umgehen

Diese Situationen können ein Indiz für Rechtsmissbrauch sein. Entscheidend ist der Gesamteindruck – und ob sich ein sachfremder Zweck erkennen lässt.

🔹 Unser Tipp: Lassen Sie ungewöhnliche Maßnahmen Ihres Arbeitgebers rechtlich prüfen – oft steckt mehr dahinter, als auf den ersten Blick erkennbar ist.


3. Typische Fälle von Rechtsmissbrauch im Arbeitsrecht

In der Praxis erkennen Gerichte Rechtsmissbrauch zum Beispiel in folgenden Situationen an:

  • Kündigung als Revanche: Wenn ein Arbeitnehmer sein Recht auf Elternzeit oder eine Beschwerde nach § 84 BetrVG wahrnimmt – und plötzlich eine Kündigung folgt.
  • Ausschluss vom Bonus, obwohl die Leistung objektiv erbracht wurde – bloß wegen „mangelnder Loyalität“.
  • Versetzungen, die ausschließlich dem Zweck dienen, den Arbeitnehmer zu zermürben oder zur Eigenkündigung zu drängen.
  • Abmahnungen in Serie, ohne nachvollziehbaren Grund – rein als Druckmittel.

Das Bundesarbeitsgericht stellt klar: Rechte dürfen nicht zweckentfremdet oder willkürlich ausgeübt werden (vgl. BAG, Urteil vom 16.02.1989 – 2 AZR 299/88).


4. Wie reagiert die Rechtsprechung auf Missbrauch?

Die Gerichte prüfen im Streitfall genau, ob eine Maßnahme objektiv gerechtfertigt ist. Fehlt es an nachvollziehbaren Gründen oder liegt eine schikanöse Tendenz vor, kann die Maßnahme unwirksam sein – etwa eine Kündigung oder eine Abmahnung.

Auch der Missbrauch von Gestaltungsspielräumen im Arbeitsvertrag (z. B. überlange Kündigungsfristen, intransparente Klauseln) kann zur Unwirksamkeit führen (§ 307 BGB).

Allerdings gilt: Die Beweislast liegt oft beim Arbeitnehmer. Umso wichtiger ist es, Belege zu sammeln, z. B.:

  • Schriftliche Kommunikation
  • Vergleichbare Fälle im Betrieb
  • Verhaltensänderungen nach bestimmten Ereignissen (z. B. Elternzeit-Ankündigung)

🔹 Unser Tipp: Dokumentieren Sie alles und holen Sie sich frühzeitig rechtliche Unterstützung – je früher, desto besser sind die Erfolgsaussichten.


5. Was sollten Arbeitnehmer im Verdachtsfall tun?

Wenn Sie den Eindruck haben, Ihr Arbeitgeber nutzt seine Rechte nicht fair, sollten Sie:

  1. Ruhe bewahren und keine übereilten Schritte unternehmen
  2. Beweise sichern (Mails, Zeugenaussagen, betriebliche Abläufe)
  3. Eine erste rechtliche Einschätzung einholen
  4. Innerbetriebliche Ansprechpartner (Betriebsrat, Gleichstellungsbeauftragte) einbeziehen

Manche Missbrauchsfälle lassen sich im Dialog klären. Andere erfordern gerichtliche Schritte – etwa im Rahmen einer Kündigungsschutzklage, einer Gleichbehandlungsbeschwerde oder Geltendmachung von Lohnansprüchen.


Unser Fazit zum Schluss

Rechtsmissbrauch ist subtil, aber nicht folgenlos. Wer seine Rechte gezielt verletzt, riskiert, dass seine Maßnahmen unwirksam sind – oder sogar Schadensersatz leisten muss. Als Arbeitnehmer sollten Sie wachsam sein, aber nicht vorschnell urteilen. Holen Sie sich im Zweifel anwaltliche Hilfe – wir unterstützen Sie gerne dabei, Ihre Rechte zu erkennen und durchzusetzen.

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