Kündigungen und Kündigungsschutzklagen

Kündigung wegen Krankheit

Sind Sie aufgrund von Krankheit arbeitsunfähig, haben eine krankheitsbedingte Kündigung erhalten und möchten einen möglichen Abfindungsanspruch prüfen lassen? Oder befürchten Sie, dass Ihr Arbeitgeber Sie nach wiederholter Krankheit entlassen könnte, und Sie möchten sich informieren, wie Sie sich dagegen wehren können?

Krankheitsbedingte Kündigungen sind für Arbeitnehmer schwer belastende Situationen, da sie selbst hierauf keinen Einfluss haben und sie sich oftmals bereits auf ihre Genesung konzentrieren müssen.

Im nachfolgenden Artikel erläutern wir, welche Voraussetzungen bei krankheitsbedingten Kündigungen vorliegen müssen (dazu unter 1.), welche Pflichten der Arbeitgeber trägt (dazu unter 2.) und wie sich Arbeitnehmer gegen Kündigungen wehren können (dazu unter 3.). Weiterhin erklären wir, ob Arbeitnehmern nach krankheitsbedingten Kündigungen ein Abfindungsanspruch zusteht (dazu unter 4.) und stellen den Sonderkündigungsschutz bei Schwerbehinderten dar (dazu unter 5.).

Anschließend beantworten wir häufige Fragen (dazu unter 6.) und geben einen Überblick über relevante Urteile (dazu unter 7.).

1. Wann ist eine krankheitsbedingte Kündigung zulässig?

Krankheitsbedingte Kündigungen fallen unter den Obergriff „personenbedingter Kündigungen“ und sind an sehr hohe Voraussetzungen gebunden, da kranke Arbeitnehmer besonders schutzwürdig sind. Insofern können Arbeitgeber Arbeitsverhältnisse nicht ohne weiteres beenden, nur weil ein Arbeitnehmer erkrankt ist.

Dabei müssen besonders die folgenden drei Aspekte Berücksichtigung finden:

Negative Gesundheitsprognose

Es muss eine negative Gesundheitsprognose erstellt werden, Arbeitgeber müssen daher nachweisen, dass auch in Zukunft weiterhin mit erheblichen Krankheitszeiten zu rechnen ist. Dabei genügt eine einmalige Krankheitsphase nicht – entscheidend ist die zukünftige Erwartung, dass der Arbeitnehmer

  • langfristig häufig oder
  • dauerhaft ausfällt.

Beeinträchtigung im Betrieb durch Krankheit

Arbeitgeber müssen zudem nachweisen, dass die Krankheitszeiten des Arbeitnehmers zu erheblichen betrieblichen Störungen geführt haben. Beispielsweise durch

  • gestörte Abläufe oder
  • hohe Kosten (Beispiel: häufiger Personalausfall oder Krankengeldzuschüsse).

Interessenabwägung

Zuletzt müssen Arbeitgeber eine Interessenabwägung durchführen und prüfen, ob die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses für ihn unzumutbar ist oder er auf mildere Maßnahmen zurückgreifen kann. Dabei werden Faktoren wie

  • die Länge der Betriebszugehörigkeit oder
  • das Alter des Arbeitnehmers berücksichtigt.

2. Welche Pflichten haben Arbeitgeber bei einer krankheitsbedingten Kündigung?

Arbeitgeber haben im Zusammenhang mit krankheitsbedingten Kündigungen besondere Pflichten einzuhalten, da kranke Arbeitnehmer als besonders schutzbedürftig angesehen werden. Bevor also eine krankheitsbedingte Kündigung ausgesprochen werden kann, muss der Arbeitgeber folgendes beachten:

  • Betriebliches Eingliederungsmanagement (BEM)

Arbeitgeber haben gemäß § 167 SGB IX ein BEM-Verfahren anzubieten, wenn Arbeitnehmer innerhalb eines Jahres länger als sechs Wochen arbeitsunfähig sind. Das Ziel des BEM ist es, Maßnahmen zu finden, die dem Arbeitnehmer eine Rückkehr in den Job ermöglichen (Beispiel: Umgestaltung des Arbeitsplatzes oder stufenweise Wiedereingliederung). Wird ein BEM nicht durchgeführt, kann die Kündigung unwirksam sein. Zwar ist die Durchführung des BEM keine formelle Voraussetzung einer krankheitsbedingten Kündigung, der Arbeitgeber trägt allerdings die Beweislast. Das bedeutet, wenn er kein BEM durchgeführt hat, muss dieser vor Gericht beweisen, dass das Arbeitsverhältnis auch ohne BEM nicht hätte erhalten werden können.

  • Mildere Maßnahmen prüfen

Der Arbeitgeber muss prüfen, ob mildere Maßnahmen, wie etwa eine Versetzung auf einen anderen Arbeitsplatz oder eine Reduzierung der Arbeitszeit, infrage kommen, um die Kündigung zu vermeiden. Erst wenn keine andere Möglichkeit besteht, kann eine Kündigung gerechtfertigt sein.

3. Was tun bei krankheitsbedingter Kündigung?

Wenn Sie eine krankheitsbedingte Kündigung erhalten haben, sollten Sie schnell handeln:

Kündigung überprüfen

Sie sollten zuerst überprüfen bzw. von einem Anwalt überprüfen lassen, ob die Kündigung rechtmäßig ist. Typische Fehler können im Hinblick auf die Kündigung insbesondere sein, ob

  • Keine Durchführung eines BEM
  • Kündigung unverhältnismäßig
  • Negative Prognose fehlerhaft

Krankheitsbedingte Kündigungen sind fehleranfällig und sollten daher unbedingt fachkundig überprüft werden.

Kündigungsschutzklage erheben

Sie sollten, wenn Sie glauben, dass die Kündigung unrechtmäßig ist, innerhalb von drei Wochen nach Erhalt der Kündigung eine Kündigungsschutzklage beim Arbeitsgericht erheben. Dies können Sie beispielsweise selbst bei dem für Sie zuständigen Gericht tun (Notiz: Link einfügen, www.justiz.de) Legen Sie nicht innerhalb der Dreiwochenfrist Klage beim Arbeitsgericht ein, gilt Ihre Kündigung als wirksam.

Rechtliche Beratung

Im Falle einer Kündigung wegen Krankheit ist es ratsam, sich an einen Anwalt für Arbeitsrecht zu wenden. Dieser kann Sie beraten und Ihnen dabei helfen, Ihre Rechte zu verteidigen oder eine außergerichtliche, schnelle Einigung mit dem Arbeitgeber zu erzielen.

4. Haben Arbeitnehmer nach einer krankheitsbedingten Kündigung Anspruch auf Arbeitslosengeld?

Arbeitnehmer haben nach einer krankheitsbedingten Kündigung grundsätzlich Anspruch auf Arbeitslosengeld. Eine Sperrzeit kann ausnahmsweise verhängt werden, wenn die Krankheit durch vorsätzliches oder grob fahrlässiges Verhalten verursacht wurde.

Im Gegensatz zu verhaltensbedingten Kündigungen gibt es in der Regel keine Sperrzeit beim Arbeitslosengeld, wenn die Kündigung aufgrund von Krankheit erfolgt. Das bedeutet, dass Sie direkt nach der Beendigung des Arbeitsverhältnisses Arbeitslosengeld beantragen können. Kümmern Sie sich frühzeitig um den Antrag auf Arbeitslosengeld, da die Bearbeitungszeit teilweise länger dauern kann.

5. Was gilt bei krankheitsbedingter Kündigung bei Schwerbehinderung?

Menschen mit Schwerbehinderung und ihnen gleichgestellte Personen genießen gemäß §§ 168 ff. Sozialgesetzbuch IX einen besonderen Kündigungsschutz. Der Arbeitgeber muss in diesen Fällen bevor er den Arbeitnehmer kündigen kann, die Zustimmung des Integrationsamts einholen. Ohne Zustimmung des Integrationsamts ist die Kündigung unwirksam. Das Integrationsamt erteil nur in Ausnahmefällen seine Zustimmung (Beispiel: dauerhafte Arbeitsunfähigkeit und keine Aussicht auf Besserung).

Zudem muss der Betriebsrat und die Schwerbehindertenvertretung vor Kündigung angehört werden und die weiteren oben ausgeführten allgemeinen Voraussetzungen vorliegen.

6. Häufige Fragen zur krankheitsbedingten Kündigung

a) Kann ich gekündigt werden, während ich krankgeschrieben bin?

Ja, auch während einer Krankschreibung kann eine Kündigung erfolgen. Die Arbeitsunfähigkeit schützt nicht automatisch vor einer Kündigung. Entscheidend sind die oben aufgeführten Voraussetzungen.

b) Wie lange darf ich krank sein, ohne gekündigt zu werden?

Es gibt keine feste Grenze, wie lange ein Arbeitnehmer krank sein darf, ohne gekündigt zu werden. Entscheidend ist die negative Gesundheitsprognose. Wenn keine Aussicht auf Besserung besteht und der Arbeitnehmer langfristig arbeitsunfähig bleibt, kann eine Kündigung gerechtfertigt sein.

c) Muss mein Arbeitgeber mich vor Kündigung wegen Krankheit vorher abmahnen?

Bei krankheitsbedingten Kündigungen sind Abmahnungen nicht notwendig, da es sich nicht um ein Fehlverhalten des Arbeitnehmers handelt, sondern um eine personenbedingte Kündigung.

d) Kann ich auch während der Probezeit krankheitsbedingt gekündigt werden?

Ja, auch in der Probezeit kann eine krankheitsbedingte Kündigung ausgesprochen werden. Während der Probezeit gelten geringere Anforderungen an die Kündigung, sodass Arbeitgeber in der Regel ohne besonderen Kündigungsgrund kündigen können.

e) Kann ich nach einer krankheitsbedingten Kündigung eine Abfindung verlangen?

Grundsätzlich besteht kein gesetzlicher Anspruch auf Abfindungen. Diese kann jedoch im Rahmen eines Aufhebungsvertrags oder bei einem gerichtlichen Vergleich ausgehandelt werden. Dabei sind oftmals die Erfolgsaussichten eines Kündigungsschutzverfahrens maßgeblich. Auf unserem Abfindungsrechner können Sie sich einen Überblick darüber machen, wie viel Ihnen zustehen könnte.

f) Muss der Arbeitgeber ein betriebliches Eingliederungsmanagement (BEM) anbieten?

Der Arbeitgeber ist gemäß § 167 SGB IX verpflichtet, ein BEM anzubieten, wenn ein Arbeitnehmer innerhalb eines Jahres länger als sechs Wochen krankheitsbedingt ausfällt. Ein nicht durchgeführtes BEM kann sich im Kündigungsschutzverfahren negativ für den Arbeitgeber auswirken.

g) Gibt es einen Unterschied, ob ich krankheitsbedingt in einem Klein- oder einem Großunternehmen gekündigt werde?

Ja, es gibt einen Unterschied zwischen Klein- und Großunternehmen in Bezug auf den Kündigungsschutz. Für Kleinunternehmen mit bis zu 10 Mitarbeitern gilt der allgemeine Kündigungsschutz nach dem Kündigungsschutzgesetz nicht. Das bedeutet, der Arbeitgeber kann leichter krankheitsbedingt kündigen. In Großunternehmen mit mehr als 10 Mitarbeitern gilt das Kündigungsschutzgesetz, und der Arbeitgeber muss strengere Voraussetzungen erfüllen (Beispiel: negative Gesundheitsprognose und Interessenabwägung).

h) Was ist eine negative Gesundheitsprognose?

Eine negative Gesundheitsprognose bedeutet, dass der Arbeitgeber nachweisen muss, dass auch in Zukunft mit weiteren Krankheitszeiten zu rechnen ist. Dies basiert auf

  • medizinischen Gutachten oder
  • langfristigen Krankheitsbildern.

7. Rechtsprechung zur krankheitsbedingten Kündigung

  • Das Erfordernis eines betrieblichen Eingliederungsmanagements nach besteht für alle Arbeitnehmer, nicht nur für behinderte Menschen. Die Durchführung eines betrieblichen Eingliederungsmanagements ist keine formelle Wirksamkeitsvoraussetzung für den Ausspruch einer krankheitsbedingten Kündigung (BAG 12.07.2007 – 2 AZR 716/06).
  • Häufige Kurzerkrankungen können ein Dauertatbestand sein, der den Lauf der Frist des § 626 Abs. 2 BGB ständig neu in Gang setzt, sobald und solange wie sie den Schluss auf eine dauerhafte Krankheitsanfälligkeit zulassen und damit eine negative Gesundheitsprognose begründen (BAG 23.01.2014 – 2 AZR 582/13).
  • Es ist Sache des Arbeitgebers, die Initiative zur Durchführung eines gesetzlich gebotenen betrieblichen Eingliederungsmanagements (bEM) zu ergreifen. Dazu gehört, dass er den Arbeitnehmer auf die Ziele des bEM sowie die Art und den Umfang der hierfür erhobenen und verwendeten Daten hinweist. Hat der Arbeitgeber die gebotene Initiative nicht ergriffen, muss er zur Darlegung der Verhältnismäßigkeit einer auf krankheitsbedingte Fehlzeiten gestützten Kündigung nicht nur die objektive Nutzlosigkeit arbeitsplatzbezogener Maßnahmen aufzeigen. Er muss vielmehr auch dartun, dass künftige Fehlzeiten ebenso wenig durch gesetzlich vorgesehene Hilfen oder Leistungen der Rehabilitationsträger in relevantem Umfang hätten vermieden werden können (BAG 20.11.2014 – 2 AZR 755/13).
  • Wird ein Arbeitnehmer, der sein Arbeitsverhältnis kündigt, am Tag der Kündigung arbeitsunfähig krankgeschrieben, kann dies den Beweiswert der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung insbesondere dann erschüttern, wenn die bescheinigte Arbeitsunfähigkeit passgenau die Dauer der Kündigungsfrist umfasst (BAG 08.09.2021 – 5 AZR 149/21).
  • Der Anspruch auf Abgeltung gesetzlichen Voll- oder Teilurlaubs erlischt nicht, wenn der Arbeitnehmer bis zum Ende des Urlaubsjahres und/oder des Übertragungszeitraums erkrankt und deshalb arbeitsunfähig ist (BAG 24.03.2009 – 9 AZR 983/07).
  • Ein wichtiger Grund zur außerordentlichen Kündigung mit notwendiger Auslauffrist für den öffentlichen Dienst der Länder ordentlich unkündbaren Arbeitsverhältnisses kann – vorbehaltlich einer umfassenden Interessenabwägung im Einzelfall – vorliegen, wenn damit zu rechnen ist, der Arbeitgeber werde für mehr als ein Drittel der jährlichen Arbeitstage Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall leisten müssen (BAG 25.04.2018 – 2 AZR 6/18).

Wurden Sie krankheitsbedingt gekündigt und sind sich unsicher, wie Sie sich dagegen wehren können? Melden Sie sich gerne bei uns, wir prüfen Ihre Erfolgsaussichten und verteidigen Ihre Rechte vor Gericht.