Kündigungen und Kündigungsschutzklagen

Kündigung wegen Zuspätkommens

Befürchten Sie, dass Ihnen eine fristlose Kündigung ohne Abmahnung wegen wiederholten Zuspätkommens droht? Oder haben Sie eine Abmahnung erhalten und möchten wissen, was Sie hiergegen tun können?

Wiederholtes Zu-Spät-Kommen eines Arbeitnehmers kann, wenn es den Betriebsablauf erheblich stört, eine – ggf. fristlose – Kündigung nach sich ziehen. Arbeitnehmer sind verpflichtet, ihre Arbeitszeiten einzuhalten. Häufige Verspätungen stellen eine Verletzung dieser vertraglichen Verpflichtungen dar. Ab wann rechtfertigt Zu-Spät-Kommen eine Kündigung, und wie können sich Arbeitnehmer wehren?

In diesem Artikel erfahren Sie, wann Zu-Spät-Kommen als Kündigungsgrund gelten kann (dazu unter 1.), welche rechtlichen Voraussetzungen für eine Kündigung erfüllt sein müssen (dazu unter 2.), wie sich eine Kündigung auf den Anspruch auf Arbeitslosengeld auswirken kann (dazu unter 3.), welche Möglichkeiten Arbeitnehmer haben, sich gegen eine Kündigung zu wehren (dazu unter 4.), und welche typischen Fehler Arbeitgeber bei solchen Kündigungen machen (dazu unter 5.).

Wir klären häufige Fragen zum Thema (dazu unter 6.) und stellen relevante Urteile vor (dazu unter 7.).

1. Wann rechtfertigt regelmäßiges Zu-Spät-Kommen eine Kündigung?

Zu-Spät-Kommen ist eine arbeitsvertragliche Pflichtverletzung. Arbeitnehmer sind dazu verpflichtet, pünktlich am Arbeitsplatz zu erscheinen. Das einmalige Zu-Spät-Kommen ist natürlich kein Grund, gleich eine Kündigung auszusprechen. Kommt ein Arbeitnehmer jedoch wiederholt zu spät und stört dadurch ebenfalls den Arbeitsablauf oder verursacht sogar betriebliche Nachteile (z.B: Flugzeug kann ohne Piloten nicht starten), kann dies zu schwerwiegenden arbeitsrechtlichen Konsequenzen führen.

Beispiel: Arbeitnehmer ist in Produktionskette tätig und kommt regelmäßig zu spät. Dadurch kann sich auch die Arbeit seiner Kollegen verzögern oder unterbrechen. Dies kann als erhebliche Störung gewertet werden, die eine Kündigung rechtfertigt.

Allerdings ist auch hier der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu beachten. Kündigungen sind nur dann gerechtfertigt, wenn das Zuspätkommen wiederholt und mit erheblichen betrieblichen Nachteilen verbunden ist. Einzelne oder gelegentliche Verspätungen, insbesondere wenn sie durch einen nachvollziehbaren Grund (Beispiel: Verkehrsunfall) bedingt sind, reichen in der Regel nicht für eine Kündigung aus.

2. Was sind die Voraussetzungen für eine Kündigung wegen wiederholtem Zuspätkommens?

Die Wirksamkeit einer Kündigung wegen wiederholtem Zuspätkommen hängt u.a. von folgenden Voraussetzungen ab:

  • Abmahnung: Einmalige oder gelegentliche Verspätungen des Arbeitnehmers sind regelmäßig kein Grund für eine Kündigung. Arbeitgeber müssen den betroffenen Arbeitnehmer zunächst abmahnen und ihn auf die Konsequenzen bei wiederholtem Fehlverhalten hinweisen. Eine Kündigung ist erst dann gerechtfertigt, wenn das Zuspätkommen trotz Abmahnung fortgesetzt wird.
  • Beispiel 1: Ein Arbeitnehmer wird wegen mehrfacher Verspätungen regelmäßig abgemahnt. Er riskiert eine Kündigung.
  • Verstoß schwerwiegend: Kündigungen ohne vorherige Abmahnungen sind nur dann gerechtfertigt, wenn das Zuspätkommen besonders starke Folgen für den Betrieb hat. Beispielsweise, wenn die Verspätung wichtige Geschäftsabläufe stört oder dem Arbeitgeber ein erheblicher finanzieller Schaden entsteht.
  • Beispiel 2: Ein Arbeitnehmer, der in einem Schichtbetrieb arbeitet und regelmäßig zu spät kommt. Hierdurch wird der Betriebsablauf erheblich gestört. Unter Umständen kann ihm ohne vorherige Abmahnung gekündigt werden.
  • Verhältnismäßigkeit: Die Kündigung muss verhältnismäßig sein, Arbeitgeber müssen unter mehreren verfügbaren Mittel, das Mildeste wählen. Kommt der Arbeitnehmer also nur gelegentlich oder aus nachvollziehbaren Gründen zu spät (Beispiel: unvorhersehbarer Verkehrsstörung), kann eine Kündigung oft als unverhältnismäßig angesehen werden. Oftmals ist eine Abmahnung ausreichend. 
  • Beispiel 3: Ein Arbeitnehmer kommt wegen eines plötzlichen Schneesturms das erste Mal zu spät zur Arbeit. Eine Kündigung wäre in diesem Fall unverhältnismäßig.

3. Habe ich bei einer Kündigung wegen Zuspätkommens einen Anspruch auf Arbeitslosengeld?

Grundsätzlich haben Arbeitnehmer auch nach einer Kündigung wegen Zu-Spät-Kommen Anspruch auf Arbeitslosengeld. Die Bundesagentur für Arbeit kann allerdings eine sog. „Sperrzeit“ von bis zu 12 Wochen aussprechen, wenn der Arbeitnehmer sein Fehlverhalten (wie regelmäßiges Zu-Spät-Kommen) selbst verschuldet hat und damit eine ordentliche oder fristlose Kündigung provoziert hat. Während der Sperrzeit erhalten Sie kein Arbeitslosengeld. Sie sollten in solchen Fällen die Situation der Agentur für Arbeit gegenüber detailliert erklären, um die Sperrzeit möglicherweise zu verhindern. Wenden Sie sich umgehend bei der für Sie zuständigen Agentur für Arbeit.

4. Wie wehren sich Arbeitnehmer gegen eine Kündigung wegen Zuspätkommens?

Haben Sie eine Kündigung wegen wiederholtem Zu-Spät-Kommen erhalten? Dann sollten Sie diese nicht sofort hinnehmen. In vielen Fällen haben Arbeitnehmer die Möglichkeit, eine Kündigungsschutzklage beim Arbeitsgericht einzureichen. Diese muss innerhalb von drei Wochen nach Erhalt der Kündigung erfolgen. Sie können die Klage selbst einreichen, es ist jedoch in diesem Fall ratsam sich fachkundig beraten zu lassen, um Fehler zu vermeiden.

Die Erfolgsaussichten der Klage sollte durch einen Anwalt für Arbeitsrecht geprüft werden. Dabei wird insbesondere geprüft:

  1. Wurden die Abmahnungen korrekt ausgesprochen?
  2. Ist die Kündigung verhältnismäßig?
  3. Hat der Arbeitgeber mildernde Umstände, wie Versetzungen oder flexible Arbeitszeiten, in Betracht gezogen?

Die Wirksamkeit vieler Kündigungen scheitert an formalen Fehlern oder an ihrer Unverhältnismäßigkeit, wenn der Arbeitgeber also beispielsweise eine Abmahnung anstatt einer Kündigung hätte aussprechen können (Beispiel: geringfügige Verspätungen).

5. Was sind typische Fehler des Arbeitgebers bei einer Kündigung wegen Zuspätkommens?

Arbeitgeber machen häufig Fehler, die eine Kündigung unwirksam machen können. Zu den häufigsten Fehlern gehören:

  • Fehlende oder unwirksame Abmahnung: Arbeitgeber spricht keine oder eine fehlerhafte Abmahnung (Beispiel: Abmahnung wegen anderen Fehlverhaltens). Kündigung ist in der Regel unwirksam.
  • Kündigung unverhältnismäßig: Kündigung muss das letzte Mittel sein („ultima-ratio“). Kündigt der Arbeitgeber ohne ausreichende Gründe, kann dies als unverhältnismäßig gewertet werden.
  • Fehlende Prüfung milderer Mittel: Der Arbeitgeber muss in Betracht ziehen, ob mildere Maßnahmen, wie z.B. eine Versetzung des Mitarbeiters oder eine Anpassung der Arbeitszeit, ausreichend wären.

6. Häufige Fragen zur Kündigung wegen Zuspätkommens

a) Kann ich wegen Zuspätkommens auch ohne Abmahnung gekündigt werden?

In der Regel muss eine Abmahnung vorausgehen. Es sei denn, das Zu-Spät-Kommen hat besonders schwerwiegende Folgen oder Sie wurden bereits mehrfach wegen Verspätungen abgemahnt.

b) Wie oft darf ich zu spät kommen, bis mein Arbeitgeber mir kündigen darf?

Es gibt keine feste Regel, wie oft man zu spät kommen darf, bevor eine Kündigung droht. Arbeitgeber sprechen jedoch regelmäßig zunächst eine oder mehrere Abmahnungen aus. Diese muss sich, wenn sie eine Kündigung begründen soll, auf dasselbe Fehlverhalten beziehen (Zuspätkommen). Erst bei wiederholten Verstößen nach einschlägigen Abmahnungen kann eine ordentliche oder sogar fristlose Kündigung gerechtfertigt sein.

c) Was kann ich tun, wenn ich zu Unrecht gekündigt wurde?

Wenn Sie das Gefühl haben, zu Unrecht gekündigt worden zu sein, haben Sie die Möglichkeit, eine Kündigungsschutzklage einzureichen. Ein Anwalt für Arbeitsrecht kann prüfen, ob die Kündigung gerechtfertigt war und Ihre Erfolgsaussichten vor Gericht einschätzen.

d) Wie lange habe ich Zeit, eine Kündigungsschutzklage einzureichen?

Sie müssen die Kündigungsschutzklage innerhalb von drei Wochen nach Erhalt der Kündigung beim Arbeitsgericht einreichen. Ansonsten gilt die Kündigung als wirksam.

e) Wie kann ich mich gegen eine Abmahnung wegen zu spät kommen wehren?

Gegen eine Abmahnung können Sie vorgehen, indem Sie schriftlich eine Gegendarstellung abgeben, wenn die Abmahnung ungerechtfertigt ist. Dabei ist es ratsam, den Vorwurf genau zu prüfen und ggf. Beweise vorzulegen, die Ihre Unschuld oder mildernde Umstände belegen. In schweren Fällen können Sie sich auch juristisch beraten lassen und gegebenenfalls eine Klage einreichen.

7. Rechtsprechung zur Kündigung wegen Zuspätkommens

  • Zahlreiche Abmahnungen wegen gleichartiger Pflichtverletzungen (hier: zahlreiche Verspätungen), denen keine weiteren Konsequenzen folgen, können die Warnfunktion der Abmahnungen abschwächen. Der Arbeitgeber muss dann die letzte Abmahnung vor Ausspruch einer Kündigung besonders eindringlich gestalten, um dem Arbeitnehmer klarzumachen, dass weitere derartige Pflichtverletzungen nunmehr zum Ausspruch einer Kündigung führen werden (BAG 15. 11. 2001 – 2 AZR 609/00).
  • Wiederholtes unentschuldigtes Fehlen eines Arbeitnehmers nach Abmahnung ist an sich geeignet, eine verhaltensbedingte Kündigung (§ 1 Abs. 2 KSchG) zu rechtfertigen. In diesem Falle ist es nicht für die Eignung als verhaltensbedingter Kündigungsgrund erheblich, sondern im Rahmen der abschließenden Interessenabwägung zusätzlich für den Arbeitnehmer belastend, wenn es neben der Störung im Leistungsbereich außerdem noch zu nachteiligen Auswirkungen im Bereich der betrieblichen Verbundenheit (Betriebsablaufstörungen, Betriebsordnung, Betriebsfrieden) gekommen ist (BAG 17.01.1991 – 2 AZR 375/90).
  • Zieht die Belegschaft aus dem beständigen Zuspätkommen des Arbeitnehmers die Schlussfolgerung, dass verbindlich festgelegte Spielregeln der Dienststelle ersichtlich ohne Sanktionen unterlaufen werden können, liegt darin eine konkrete massive und nachhaltige Störung der Betriebsabläufe und der Beziehungen der Mitarbeiter der Dienststelle (LAG Thüringen 11.06.2009 – 3 Sa 22/07).
  • Wiederholtes Zuspätkommen berechtigt nach erfolgloser Abmahnung auch dann zur ordentlichen Kündigung, wenn die einzelnen Verspätungen zwar eher gering sind, aber zu Betriebsablaufstörungen führen (Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein 28.11.2006 – 5 Sa 271/06).
  • Das erhebliche Zuspätkommen zur Arbeit kann, wenn eine Ermahnung und zwei Abmahnungen erfolglos geblieben sind, eine verhaltensbedingte Kündigung rechtfertigen (LAG Köln 20.10.2008 – 5 Sa 746/08).

Sind Sie wiederholt zu spät bei der Arbeit gewesen und möchten sich in diesem Rahmen beraten lassen? Melden Sie sich gerne bei uns.