Haben Sie eine verhaltensbedingte Kündigung wegen Fehlverhaltens ohne Abmahnung erhalten und möchten wissen, wie Sie sich dagegen wehren können? Oder wollen Sie sich über die Konsequenzen eines Fehlverhaltens gegenüber Ihrem Vorgesetzten informieren?
Kündigungen wegen Weisungswidrigkeit sind ein sensibler und häufig unterschätzter Bereich im Arbeitsrecht. Arbeitnehmer sind verpflichtet, den rechtmäßigen Weisungen ihrer Arbeitgeber nachzukommen. Werden diese Anweisungen wiederholt ignoriert oder bewusst verweigert, kann dies schwerwiegende arbeitsrechtliche Konsequenzen nach sich ziehen – bis hin zur Kündigung.
In diesem Artikel erfahren Sie, was unter Weisungswidrigkeit fällt (dazu unter 1.), wann eine Kündigung im Einzelfall gerechtfertigt ist (dazu unter 2.) sowie wann fristlos gekündigt werden kann (dazu unter 3.). Zudem erklären wir, wie sich Arbeitnehmer gegen Kündigungen wehren können (dazu unter 4.) und ob weiterhin ein Anspruch auf Arbeitslosengeld besteht (dazu unter 5.).
Außerdem klären wir häufige Fragen (dazu unter 6.) und geben einen Überblick über relevante Urteile (dazu unter 7.).
1. Wann liegt Weisungswidrigkeit am Arbeitsplatz vor?
Weisungswidrigkeit am Arbeitsplatz bedeutet, die Nichtbefolgung durch den Arbeitnehmer von berechtigten Anweisungen seines Arbeitgebers. Diese Weisungen können sich auf verschiedene Bereiche des Arbeitsverhältnisses beziehen, typische Beispiele sind:
- Arbeitszeiten,
- Arbeitsort,
- Arbeitsmethoden oder
- Umfang der Arbeitsleistung.
Das sogenannte Direktionsrecht (§ 106 GewO) des Arbeitgebers gibt ihm die Möglichkeit, innerhalb der vertraglichen Vereinbarungen die Arbeitsaufgaben konkret zu bestimmen.
Beispiel: Ein Arbeitnehmer wird mehrfach angewiesen, bestimmte Sicherheitsvorkehrungen einzuhalten. Er ignoriert diese Anweisung und bringt dadurch sich selbst und andere in Gefahr.
Weitere praktische Beispiele:
- Verweigerung des Tragens von Sicherheitskleidung
- Ablehnung einer zugeteilten Aufgabe
- Bewusste Missachtung der Anweisung eines Vorgesetzten
- Bewusste Missachtung des Standorts
- Bewusstes Ignorieren von Arbeitszeitänderungen
- Bewusstes Unterlassen der Dokumentation von Arbeitsabläufen
- Richtlinienverletzung bei Kundenkontakt
Merke: Weisungswidrigkeit am Arbeitsplatz liegt grundsätzlich vor, wenn Arbeitnehmer berechtigte Weisungen des Arbeitgebers nicht befolgen.
2. Was sind die Voraussetzungen einer Kündigung wegen Weisungswidrigkeit?
Die Kündigung wegen Missachtung von Weisungen im Arbeitsverhältnis ist an strenge Voraussetzungen gebunden, denn nicht jede Form von Fehlverhalten führt auch automatisch zur Kündigung.
Folgende Voraussetzungen müssen u.a. vorliegen:
- Abmahnung: Der Arbeitgeber muss das Fehlverhalten vor einer Kündigung zunächst abmahnen. Die Abmahnung dient als Warnung und gibt dem Arbeitnehmer die Chance, sein Verhalten zu ändern. In der Abmahnung ist das Fehlverhalten im Detail festzuhalten. Nur besonders schwerwiegende Fälle rechtfertigen im Einzelfall eine fristlose Kündigung ohne Abmahnung. Beispiel für einen schwerwiegenden Fall: Vorgesetzter weist einen Mitarbeiter wiederholt an, bestimmte technische Anweisungen zu befolgen, um Maschinen sicher zu bedienen. Der Mitarbeiter ignoriert diese Weisungen bewusst, wodurch es zu einem Unfall kommt, und ein Mitarbeiter verletzt wird.
- Weisung rechtmäßig: Arbeitgeber dürfen nur rechtmäßige Weisungen erteilen. Weisungen, die gegen gesetzliche Bestimmungen verstoßen oder unzumutbar sind, müssen Arbeitnehmer nicht befolgen.
- Verhältnismäßigkeit: Die Kündigung muss das letzte Mittel sein. Wenn mildere Maßnahmen, wie eine Versetzung oder erneute Abmahnung, ausreichen, ist eine Kündigung unverhältnismäßig.
Mehr zu den Voraussetzungen von verhaltensbedingten Kündigungen lesen Sie hier.
Merke: Ohne vorherige Abmahnung sind Kündigungen wegen Weisungswidrigkeit regelmäßig unwirksam! Ausnahme: „schwerwiegender Fall“.
3. Wann ist eine fristlose Kündigung ohne Abmahnung wegen Fehlverhaltens gerechtfertigt?
Eine außerordentliche Kündigung, die keine vorherige Abmahnung bedarf, ist in schwerwiegenden Fällen gerechtfertigt. Der Arbeitgeber kann gem. § 626 BGB aus wichtigem Grund und ohne Einhaltung der Kündigungsfrist fristlose kündigen, wenn Tatsachen vorliegen, auf Grund derer dem Arbeitgeber unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist oder bis zu der vereinbarten Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht zugemutet werden kann.
Das Vertrauensverhältnis zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber muss nachhaltig zerstört sein, wie es beispielsweise der Fall ist bei grober Fahrlässigkeit oder Gefährdung anderer.
Weitere Beispiele für fristlose Kündigungen:
- Missachtung von Sicherheitsvorschriften, die andere in Gefahr bringen.
- Weigerung des Tragens von Sicherheitskleidung, die sich selbst und andere in Gefahr bringen kann.
- Missachtung von Hygienevorschriften (Beispiel: im Gesundheitssektor).
Merke: Gefährdet ein Arbeitnehmer durch seine grob fahrlässige Weisungswidrigkeit andere, kann im Einzelfall eine Abmahnung entbehrlich und eine fristlose Kündigung gerechtfertigt sein.
4. Was tun bei Kündigung wegen Missachtung von Weisungen?
Haben Sie eine Kündigung wegen Missachtung von Weisungen erhalten? Dann sollten Sie sich so schnell wie möglich von einem Anwalt für Arbeitsrecht beraten lassen. Dieser prüft, ob die Kündigung rechtmäßig ist. Es kann hinterfragt werden, ob die Weisung tatsächlich rechtmäßig war und ob alle formellen Anforderungen, wie die Abmahnung, eingehalten wurden. Falls der Arbeitgeber hier Fehler gemacht hat, kann eine Kündigungsschutzklage erfolgreich sein.
Die Kündigungsschutzklage muss unabhängig, ob Sie sich anwaltlich vertreten lassen oder nicht, innerhalb von drei Wochen ab Zugang der Kündigung beim Arbeitsgericht eingehen. Lassen Sie diese Frist verstreichen, dann gilt die Kündigung als wirksam.
Merke: Nach Zugang der Kündigung haben Sie drei Wochen Zeit eine Kündigungsschutzklage zu erheben!
5. Habe ich einen Anspruch auf Arbeitslosengeld bei einer Kündigung wegen Fehlverhaltens?
Ob Ihnen nach einer Kündigung wegen Weisungswidrigkeit ein Anspruch auf Arbeitslosengeld zusteht, hängt von den Umständen des Einzelfalls ab.
Dabei gilt grundsätzlich:
- Sperrzeit
Stellt die Arbeitsagentur fest, dass der Arbeitnehmer die Kündigung durch sein Verhalten selbst verursacht hat, kann eine sog. „Sperrzeit“ von bis zu 12 Wochen verhängt werden. Die Missachtung von Weisungen kann von der Arbeitsagentur als versicherungswidriges Verhalten gewertet werden, da der Arbeitnehmer seine arbeitsvertraglichen Pflichten verletzt hat. In der Sperrzeit besteht kein Anspruch auf Arbeitslosengeld.
- Ausnahme
Ausnahmsweise kann der Arbeitnehmer in manchen Fällen argumentieren, dass die Missachtung von Weisungen bei der Arbeit gerechtfertigt war, da die Weisung unzumutbar war, gegen Arbeitsvertrag oder Gesetze verstößt.
Beispiele hierfür können sein:
- Weigerung, wiederholt regelmäßig Überstunden zu leisten, entgegen dem Arbeitszeitgesetz
- Verstoß gegen Arbeitsschutz
In solch einem Fall kann die Sperrzeit entfallen, weil keine Pflichtverletzung im rechtlichen Sinne vorliegt. Die genauen Umstände der Weisungswidrigkeit spielen eine entscheidende Rolle bei der Entscheidung der Bundesagentur für Arbeit. Lassen Sie sich von der Arbeitsagentur hierzu beraten.
Merke: Haben Sie die Kündigung durch Ihr eigenes Verhalten verursacht, ist die Verhängung einer Sperrzeit von bis zu 12 Wochen durch die Arbeitsagentur möglich.
6. Häufige Fragen zur Kündigung wegen Weisungswidrigkeit
a) Muss ich jede Weisung des Arbeitgebers befolgen?
Nein, Sie müssen nur Weisungen befolgen, die im Rahmen Ihres Arbeitsvertrags liegen und rechtmäßig sind. Sie dürfen unzumutbare oder rechtswidrige Weisungen ablehnen.
b) Kann der Arbeitgeber mich auch ohne Abmahnung kündigen?
Arbeitgeber müssen regelmäßig vor jeder Kündigung das Fehlverhalten abmahnen, um dem Arbeitnehmer eine Chance zu geben, sein Fehlverhalten zu verbessern. Nur in extremen Fällen ist eine Kündigung ausnahmsweise ohne Abmahnung möglich.
c) Was ist eine unzulässige Weisung des Arbeitgebers?
Unzulässige Weisungen liegen vor, wenn die Anordnung gegen den Arbeitsvertrag, Gesetze oder das Arbeitsrecht verstößt. In solchen Fällen können Sie Weisungen verweigern.
d) Darf mein Arbeitgeber mich wegen jeder Form von Weisungswidrigkeit kündigen?
Nein, verhaltensbedingte Kündigungen im Rahmen von Weisungswidrigkeiten sind nur bei wiederholten oder schwerwiegenden Weisungswidrigkeiten möglich. In den meisten Fällen muss der Arbeitgeber zuerst eine Abmahnung aussprechen.
e) Was kann ich tun, wenn ich eine Weisung für unzumutbar halte?
Halten Sie eine Weisung für unzumutbar, dann versuchen Sie das Problem mit Ihrem Vorgesetzten oder dem Betriebsrat zu besprechen. In dringenden Fällen können Sie anwaltlichen Rat einholen, um Ihre Rechte zu verteidigen.
f) Was für Konsequenzen haben unbegründete Weisungsverweigerungen?
Unbegründete Weisungsverweigerungen können zunächst zu einer Abmahnung führen. Im Wiederholungsfall oder bei schweren Verstößen droht eine verhaltensbedingte Kündigung.
g) Wie lange besteht eine Abmahnung wegen Weisungswidrigkeit?
Die Gültigkeit einer Abmahnung ist nicht gesetzlich festgelegt, kann aber nach einigen Jahren ihre Relevanz verlieren, sofern keine weiteren Verstöße vorliegen.
7. Rechtsprechung zur Kündigung wegen Weisungswidrigkeit
- Ein Arbeitnehmer weigert sich beharrlich, seinen vertraglichen Pflichten nachzukommen, wenn er sie bewusst und nachhaltig nicht erfüllen will (BAG 28.06.2018 – 2 AZR).
- Auch ein nachhaltiger Verstoß gegen berechtigte Weisungen des Arbeitgebers ist eine Vertragspflichtverletzung, die grundsätzlich eine außerordentliche Kündigung zu rechtfertigen vermag (BAG 12.05.2010 – 2 AZR 845/08).
- Ob eine Verletzung arbeitsvertraglicher (Neben-)Pflichten vorliegt, richtet sich nach der objektiven Rechtslage. Handelt der Arbeitnehmer in der Annahme, sein Verhalten sei rechtmäßig, hat grundsätzlich er selbst das Risiko zu tragen, dass sich seine Rechtsauffassung als unzutreffend erweist (BAG 19.01.2016 – 2 AZR 449/15).
- Das Sammeln von Pfandflaschen, entgegen der Weisungen des Arbeitgebers, kann eine Verletzung arbeitsrechtlicher Pflichten darstellen (BAG 23.08.2018 – 2 AZR 235/18).
- Ein zur Kündigung ohne vorherigen Ausspruch einer Abmahnung hinreichender Verhaltensverstoß kann darin liegen, dass ein Außendienstmitarbeiter trotz betrieblich bekannt gemachten Verbotes einen akquirierten Auftrag selbst mit dem Namen des Kunden unterzeichnet (LAG Niedersachsen 23.09.2011 – 16 Sa 1466/10).
Haben Sie Weisungen Ihres Vorgesetzten nicht befolgt und fürchten, Ihnen droht eine verhaltensbedingte Kündigung? Melden Sie sich gerne bei uns, wir beraten Sie gerne in diesem Zusammenhang und verteidigen Ihre Rechte.