Sind Sie als Arbeitnehmer wegen eines Arbeitszeitbetrugs fristlos gekündigt worden und möchten sich informieren, ob Ihnen eine Abfindung zusteht? Oder haben Sie im Homeoffice sich einmalig falsch ausgestempelt und wollen erfahren, was für Konsequenzen Ihnen drohen könnten? Für Arbeitnehmer kann eine Kündigung existenzbedrohend sein, da sie oft nicht wissen, wie sie sich in einem solchen Fall wehren können.
In diesem Artikel erklären wir, was unter Arbeitszeitbetrug verstanden wird (dazu unter 1.), was für Konsequenzen Arbeitszeitbetrug mit sich ziehen kann (dazu unter 2.), ob im Einzelfall eine fristlose Kündigung gerechtfertigt ist (dazu unter 3.), welche Möglichkeiten Arbeitnehmer haben, wenn sie eine solche Kündigung erhalten (dazu unter 4.) und welche typischen Fehler Arbeitgeber häufig machen (dazu unter 5.).
Am Ende beantworten wir häufige Fragen (dazu unter 6.) und geben einen Überblick über relevante Rechtsprechungen (dazu unter 7.).
1. Was versteht man unter Arbeitszeitbetrug?
Unter Arbeitszeitbetrug versteht man die vorsätzliche Täuschung des Arbeitgebers über die tatsächlich geleistete Arbeitszeit. In den meisten Fällen gibt also der Arbeitnehmer vor, zu arbeiten – darin liegt ein schwerwiegender Vertrauensverstoß innerhalb des Arbeitsverhältnisses.
Beispiele für Arbeitszeitbetrug:
- Falsches Ein- oder Ausstempeln:
Arbeitnehmer kommt zu spät, stempelt sich jedoch pünktlich ein, oder geht früher und stempelt sich später aus.
- Private Tätigkeiten während der Arbeitszeit:
Das Erledigen privater Angelegenheiten, wie Online-Shopping, Social Media oder Telefonate, während der Arbeitszeit kann als Arbeitszeitbetrug gewertet werden.
- Missbrauch von Pausenregelungen:
Arbeitnehmer macht beispielsweise längere Pausen, als ihm zusteht, ohne dies anzugeben.
- Fälschen der Arbeitszeit im Homeoffice:
Im Zuge der vermehrten Arbeit von zu Hause aus kann auch die falsche Angabe der Arbeitszeit bei Vertrauensarbeitszeitmodellen als Betrug gelten.
Beispiel: Ein Arbeitnehmer, der jeden Morgen zu spät zur Arbeit kommt und dennoch die volle Arbeitszeit auf seiner Stempelkarte angibt, begeht Arbeitszeitbetrug. Auch ein Arbeitnehmer, der während der Arbeitszeit regelmäßig private Besorgungen erledigt, könnte in den Verdacht des Arbeitszeitbetrugs geraten.
Das LAG Hamm hat in einem Urteil beispielsweise eine außerordentliche Kündigung für wirksam erachtet, die darin begründet lag, dass eine Arbeitnehmerin wiederholt längere Kaffeepausen gemacht hat ohne sich auszustempeln und nach Konfrontation mit dem Vorwurf dies vor dem Arbeitgeber leugnete (LAG Hamm 27.01.2023 – 13 Sa 1007/22);
Ein solcher Betrug ist besonders schwerwiegend, da er das Vertrauensverhältnis zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer beeinträchtigt. Insbesondere bei wiederholtem Fehlverhalten kann dies zu einer verhaltensbedingten Kündigung führen. Doch auch hier gilt: Der Arbeitgeber muss strenge rechtliche Vorgaben beachten.
Merke: Arbeitszeitbetrug liegt vor, wenn die tatsächlich geleistete Arbeitszeit bewusst falsch angegeben wird.
2. Welche Folgen kann ein Arbeitszeitbetrug auf das Arbeitsverhältnis haben?
Ein Arbeitszeitbetrug kann – je nach Einzelfall – eine ordentliche und sogar eine fristlose Kündigung rechtfertigen.
Für die rechtliche Wirksamkeit einer Kündigung wegen Arbeitszeitbetrugs, müssen bestimmte Voraussetzungen erfüllt sein. Die Voraussetzungen einer wirksamen Kündigung sind insbesondere:
- Abmahnung
Im Rahmen einer ordentlichen Kündigung muss der Arbeitgeber den Arbeitnehmer zunächst abmahnen, bevor er eine verhaltensbedingte Kündigung ausspricht. Durch die Abmahnung wird dem Arbeitnehmer die Chance geben, sein Fehlverhalten künftig zu ändern. In der Abmahnung wird regelmäßig betont, dass bei wiederholtem Pflichtverstoß eine Kündigung droht, um den Arbeitnehmer die Konsequenzen bewusst zu machen.
In schweren Fällen, wie einem massiven oder wiederholten Betrug, kann jedoch eine außerordentliche Kündigung ohne vorherige Abmahnung gerechtfertigt sein.
Beispiel: Arbeitnehmer, der nur einmal eine fünfminütige Pause falsch angibt, würde zunächst abgemahnt. Gibt er jedoch mehrfach bewusst falsche Zeiten an, könnte dies eine Kündigung ohne Abmahnung rechtfertigen.
- Beweislast des Arbeitgebers:
Der Arbeitgeber muss im Rahmen des Arbeitszeitbetrugs eindeutige Nachweise vorlegen können. Vage Vermutungen oder unklare Indizien reichen nicht aus. Es bedarf konkreter Beweise wie beispielsweise:
- Aufzeichnungen,
- Stempelprotokolle oder
- Aussagen von Zeugen.
Beispiel: Kollegen beobachten regelmäßig, wie ein Mitarbeiter seinen Arbeitsplatz früher verlässt und sich dennoch erst später ausstempelt. Solche Zeugenaussagen können als Beweise verwendet werden.
- Verhältnismäßigkeit:
Eine Kündigung ist nur dann auch wirksam, wenn keine milderen Mittel ausreichen. Die Kündigung muss verhältnismäßig sein, das bedeutet, es müssen zunächst andere Maßnahmen wie Abmahnungen oder Versetzungen geprüft werden.
Beispiel: Der einmalig kleinere Verstoß eines Arbeitnehmers, rechtfertigt keine direkte Kündigung, wenn eine Abmahnung ausreichend wäre.
Merke: Falsches Ein- oder Ausstempeln, private Tätigkeiten oder Pausenmissbrauch können als Arbeitszeitbetrug gewertet werden.
3. Ist bei Arbeitszeitbetrug eine fristlose Kündigung gerechtfertigt?
Arbeitszeitbetrug kann in vielen Fällen eine fristlose Kündigung rechtfertigen. Die vorsätzlich falsche Angabe von Arbeitszeiten oder Manipulation von Arbeitszeiten ist ein schwerer Vertrauensbruch gegenüber dem Arbeitgeber.
Allerdings muss, im Rahmen einer außerordentlichen Kündigung, die Schwere des Arbeitszeitbetrugs einzelfallabhängig geprüft werden. Grundsätzlich muss der Arbeitgeber eine Abmahnung aussprechen, bevor eine wirksame fristlose Kündigung gerechtfertigt ist. Ist der Betrug allerdings so gravierend, dass eine Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unzumutbar ist (§ 626 BGB), dann kann eine Kündigung auch ohne Abmahnung wirksam sein. Auch die Verhältnismäßigkeit spielt eine wichtige Rolle: Kleinere Verstöße könnten milder sanktioniert werden, während systematisches oder wiederholtes Fehlverhalten eine fristlose Kündigung rechtfertigen kann.
Merke: Eine fristlose Kündigung ist nur bei schwerwiegendem oder wiederholtem Betrug ohne vorherige Abmahnung zulässig.
4. Wie wehrt man sich, wenn man eine Kündigung wegen Arbeitszeitbetrugs erhält?
Haben Sie eine Kündigung wegen Arbeitszeitbetrugs erhalten? Dann sollten Sie insbesondere folgende Schritte beachten:
- Sorgfältige Prüfung der Kündigung
Zunächst sollten Sie überprüfen bzw. von einem Anwalt überprüfen lassen, ob die Kündigung alle rechtlichen Voraussetzungen erfüllt. Sie sollten besonders darauf achten, ob
- eine Abmahnung der Kündigung vorausgegangen ist und
- der Vorwurf des Arbeitszeitbetrugs konkret nachgewiesen wurde.
- Erheben einer Kündigungsschutzklage
Wenn Sie die Kündigung für ungerechtfertigt halten, können Sie innerhalb von drei Wochen eine Kündigungsschutzklage beim Arbeitsgericht einreichen. Ein Fachanwalt für Arbeitsrecht kann Ihnen dabei helfen, die Erfolgsaussichten einzuschätzen und Sie vor Gericht zu vertreten.
- Anwaltliche Beratung
Holen Sie sich anwaltlichen Rat im Zusammenhang mit verhaltensbedingten Kündigungen ein. Er kann für Sie prüfen, ob formelle Fehler vorliegen oder ob die Kündigung unverhältnismäßig ist. Dies ist zum Teil für Laien schwer zu beurteilen. In einigen Fällen kann auch eine Abfindung ausgehandelt werden.
Merke: Gegen eine Kündigung kann nur innerhalb von drei Wochen Kündigungsschutzklage erhoben werden!
5. Was sind typische Fehler des Arbeitgebers bei einer Kündigung wegen Arbeitszeitbetrugs?
Oft sind Kündigungen wegen Arbeitszeitbetrugs unwirksam, da sie an formellen oder inhaltlichen Fehlern des Arbeitgebers scheitern. Möchten Sie Ihre Kündigung in einem ersten Schritt selbst auf Fehler überprüfen, dann achten Sie insbesondere auf folgende häufig gemachte arbeitgeberseitige Fehler:
- Keine oder fehlerhafte Abmahnung
Hat der Arbeitgeber keine vorherige Abmahnung ausgesprochen, obwohl dies erforderlich gewesen wäre, kann die Kündigung unwirksam sein.
- Kein konkreter Nachweis des Arbeitszeitbetrugs
Den Arbeitszeitbetrug muss der Arbeitgeber klar und eindeutig nachweisen. Kann er dies nicht, ist die Kündigung rechtlich angreifbar.
- Unverhältnismäßigkeit
In manchen Fällen reicht eine mildere Maßnahme, wie eine Abmahnung, aus. Wenn der Arbeitgeber dies nicht berücksichtigt, kann die Kündigung unwirksam sein.
- Betriebsrat nicht angehört
Der Betriebsrat muss vor jeder Kündigung angehört werden. Dies wird durch den Arbeitgeber und Personalabteilung häufig vergessen.
Merke: Auch im Homeoffice gilt: Täuschung über die Arbeitszeit kann zur Kündigung führen.
6. Häufige Fragen zum Thema Kündigung wegen Arbeitszeitbetrugs
a) Kann ich wegen einmaligem Arbeitszeitbetrug sofort gekündigt werden?
Bei einem einmaligen Verstoß muss der Arbeitgeber regelmäßig zunächst eine Abmahnung aussprechen.
b) Was sind die Konsequenzen, wenn der Arbeitgeber keine Beweise hat?
Ohne ausreichende Beweise ist die Kündigung unwirksam. Der Arbeitgeber trägt die Beweislast.
c) Kann ich eine Abfindung erhalten, wenn ich gekündigt werde?
Eine Abfindung kann in einigen Fällen verhandelt werden, insbesondere wenn die Erfolgsaussichten einer Kündigungsschutzklage gutstehen. Bei schwerwiegenden Verstößen arbeitnehmerseits ist eine Abfindung unwahrscheinlich.
d) Wie lange habe ich Zeit, um gegen die Kündigung vorzugehen?
Gegen die Kündigung können Sie gerichtlich drei Wochen nach Erhalt der Kündigung Kündigungsschutzklage erheben. Verpassen Sie die Frist, dann gilt die Kündigung allerdings als wirksam.
e) Kann Arbeitszeitbetrug auch im Homeoffice begangen werden?
Ja, auch im Homeoffice kann Arbeitszeitbetrug entstehen. Auch im Homeoffice müssen Sie Ihre Arbeitszeit korrekt angeben. Eine fehlende Kontrolle rechtfertigt keinen Betrug.
f) Wie stellt sich die Beteiligung des Betriebsrats bei einer fristlosen Kündigung wegen Arbeitszeitbetrugs dar?
Der Betriebsrat muss vor jeder fristlosen Kündigung, auch bei Arbeitszeitbetrug, gemäß § 102 BetrVG angehört werden, ansonsten ist die Kündigung unwirksam.
g) Kann einem Auszubildenden wegen Arbeitszeitbetrugs fristlos gekündigt werden?
Ja, auch Auszubildende können wegen Arbeitszeitbetrugs fristlos gekündigt werden. Der Arbeitgeber ist allerdings aufgrund der besonderen Schutzbedürftigkeit von Azubis in der Regel verpflichtet, zunächst eine Abmahnung auszusprechen.
7. Rechtsprechung zum Thema Kündigung wegen Arbeitszeitbetrugs
- Eine Kaffeepause ohne Ausloggen aus dem elektronischen Zeiterfassungssystem kann eine fristlose Kündigung rechtfertigen. Die schwerbehinderte Arbeitnehmerin nahm sich regelmäßig Kaffeepausen bei der Arbeit ohne dies als Pausenzeit zu buchen und wurde fristlos gekündigt. Konfrontiert mit dem Vorwurf, leugnete sie den Vorfall. Darin sah das Gericht einen schweren Vertrauensbruch (LAG Hamm 27.01.2023 – 13 Sa 1007/22); Dies gilt auch, bei einer mehr als 25 Jahre langen Betriebszugehörigkeit (Hessisches LAG 17.02.2014 – 16 Sa 1299/13).
- Der vorsätzliche Verstoß eines Arbeitnehmers gegen seine Verpflichtung, die abgeleistete, vom Arbeitgeber nur schwer zu kontrollierende Arbeitszeit korrekt zu dokumentieren, ist an sich geeignet, einen wichtigen Grund zur außerordentlichen Kündigung iSv. § 626 Abs. 1 BGB darzustellen. Dies gilt für den vorsätzlichen Missbrauch einer Stempeluhr ebenso wie für das wissentliche und vorsätzlich falsche Ausstellen entsprechender Formulare. Dabei kommt es nicht entscheidend auf die strafrechtliche Würdigung an, sondern auf den mit der Pflichtverletzung verbundenen schweren Vertrauensbruch (BAG 13.12.2018 – 2 AZR 370/18).
- Die jahrelange vorsätzliche falsche Angabe von Überstunden kann eine fristlose Kündigung rechtfertigen. Dabei kommt es insbesondere auf den dadurch entstandenen schweren Vertrauensbruch an (BAG 13.12.2018 – 2 AZR 370/18).
- Fehlerhafte Angaben zu Reisezeiten, die als Arbeitszeit gewertet werden, stellen grundsätzlich einen Kündigungsgrund dar. Weil in diesem Fall nur eine fahrlässige Pflichtverletzung festgestellt wurde, war eine Abmahnung nicht entbehrlich (LAG Niedersachsen 15.06.2004 – 13 Sa 1681/03).
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