Kündigungen und Kündigungsschutzklagen

Kündigung wegen „Blaumachen“

Wurden Sie beim „Blaumachen“ erwischt und fürchten Ihnen droht nun eine fristlose Kündigung? Oder haben Sie ein schlechtes Gewissen und möchten sich informieren, was die Konsequenzen nach dem unentschuldigten Fehlen sein könnten?

Das Vortäuschen einer Arbeitsunfähigkeit, allgemein auch „Blaumachen“ genannt, kann für Arbeitnehmer gravierende Konsequenzen haben. Arbeitgeber dürfen in solchen Fällen eine verhaltensbedingte Kündigung aussprechen. Auch fristlose Kündigungen sind möglich.

In diesem Artikel erklären wir den arbeitsrechtlichen Kontext von „Blaumachen“ (dazu unter 1.), wann eine Kündigung wegen vorgetäuschter Arbeitsunfähigkeit gerechtfertigt ist (dazu unter 2.), wie der Kündigungsprozess abläuft (dazu unter 3.), was betroffene Arbeitnehmer tun können (dazu unter 4.) und wann fristlose Kündigungen in diesem Zusammenhang wirksam sein können (dazu unter 5.).

Anschließend beantworten wir häufige Fragen hierzu (dazu unter 6.) und stellen relevante Rechtsprechung dar (dazu unter 7.).

1. Was fällt unter „Blaumachen“?

„Blaumachen“ im arbeitsrechtlichen Kontext bedeutet das unberechtigte Fehlen am Arbeitsplatz unter dem Vorwand einer vorgetäuschten Arbeitsunfähigkeit. Dies kann beispielsweise vorliegen, wenn Arbeitnehmer ärztliche Krankschreibungen erschleichen oder eine bereits bestehende Krankheit gegenüber dem Arbeitgeber vorspiegelt bzw. überzogen wird, obwohl der Arbeitnehmer in Wirklichkeit arbeitsfähig ist.

Dieses Verhalten stellt einen schweren Vertrauensbruch dar, da der Arbeitnehmer nicht nur seiner Arbeitspflicht entgeht, sondern auch weiterhin Gehalt erhält, obwohl er keinen tatsächlichen Anspruch darauf hat.

2. Welches sind die Voraussetzungen für eine Kündigung wegen „Blaumachens“?

Damit eine Kündigung wegen vorgetäuschter Arbeitsunfähigkeit rechtlich wirksam ist, müssen bestimmte Voraussetzungen erfüllt sein:

  1. Eindeutiger Nachweis der Täuschung

Die vorgespiegelte Arbeitsunfähigkeit des Arbeitnehmers muss der Arbeitgeber eindeutig nachweisen können. Der Verdacht allein ist nicht ausreichend. Der Nachweis kann durch

  • Detektive,
  • Zeugen oder
  • widersprüchliche Aktivitäten (z.B. Sport während Krankheitsphase) erbracht werden.
  1. Verhältnismäßigkeit

Die Kündigung muss verhältnismäßig sein. Der Arbeitgeber muss also das mildeste Mittel wählen. Grundsätzlich muss der Arbeitnehmer vor einer Kündigung abgemahnt werden. Eine Abmahnung ist ausnahmsweise entbehrlich, wenn das Täuschungsverhalten so gravierend ist, dass eine Abmahnung unzumutbar wäre (Beispiel: Arbeitnehmer erschleicht vorsätzlich eine ärztliche Bescheinigung – trotz Arbeitsfähigkeit).

  1. Kündigungsgrund

In dem Vortäuschen einer Krankheit liegt ein massiver Vertrauensbruch im Rahmen des Arbeitsverhältnisses, der in den meisten Fällen einen ausreichenden Grund für eine verhaltensbedingte Kündigung darstellt. Auch eine fristlose Kündigung kann in besonders schwerwiegenden Fällen in Betracht kommen.

Lesen Sie mehr zu den einzelnen Voraussetzungen unter: „verhaltensbedingte Kündigungen“.

3. Ablauf einer Kündigung wegen vorgetäuschter Arbeitsunfähigkeit

Der Ablauf einer Kündigung wegen vorgetäuschter Arbeitsunfähigkeit ist von Fall zu Fall unterschiedlich, in der Regel kann sich der Ablauf wie folgt darstellen:

  1. Ermittlung und Beweise

Der Arbeitgeber muss zunächst beweisen, dass die Arbeitsunfähigkeit tatsächlich vorgetäuscht wurde. Dies geschieht regelmäßig durch Ermittlungen. Ohne stichfeste Beweise, wie beispielsweise eines Detektivberichts oder Aussagen von Zeugen, ist die Kündigung oftmals nicht haltbar.

  1. Abmahnung

In den meisten Fällen wird vor der Kündigung eine Abmahnung ausgesprochen. In dieser wird der Arbeitnehmer aufgefordert, künftig seiner Arbeitspflicht nachzukommen und auf die Konsequenzen im Wiederholungsfall hingewiesen.

  1. Fristsetzung

Auch bei einer verhaltensbedingten Kündigung wegen „Blaumachens“ muss in der Regel die gesetzliche Kündigungsfrist eingehalten werden. Bei besonders schwerwiegendem Fehlverhalten kann jedoch auch eine fristlose Kündigung gerechtfertigt sein.

  1. Kündigungsschutzklage

Wie bei jeder Kündigung hat der Arbeitnehmer das Recht, innerhalb von drei Wochen nach Erhalt der Kündigung eine Kündigungsschutzklage beim Arbeitsgericht einzureichen. Lässt der Arbeitnehmer die Frist verstreichen, gilt die Kündigung als wirksam.

4. Was können Arbeitnehmer tun, wenn sie eine Kündigung wegen „Blaumachens“ erhalten?

Haben Sie eine Kündigung wegen vorgetäuschter Arbeitsunfähigkeit erhalten? Dann können Ihnen folgende Punkte einen ersten Anhaltspunkt zum weiteren Vorgehen geben:

  1. Prüfen: Wirksamkeit der Kündigung

Die Kündigung und der ihr zugrundeliegende Vorwurf sollte immer sorgfältig auf Ihre Wirksamkeit hin geprüft werden, da es oftmals an ausreichenden Beweisen bzw. einer Abmahnung seitens des Arbeitgebers fehlt, die Beweise vor Gericht nicht verwertbar sind oder der Arbeitgeber eine mildere Maßnahme hätte wählen können. Eine Kündigung kann dadurch in vielen Fällen angreifbar sein.

  1. Erheben Kündigungsschutzklage

Kündigungsschutzklagen können helfen, die Kündigung gerichtlich zu überprüfen und möglicherweise anzufechten. Hierfür muss unbedingt die Drei-Wochen-Frist beachtet werden. Sie können die Kündigungsschutzklage bei dem für Sie zuständigen Arbeitsgericht einreichen oder sich anwaltlich vertreten lassen.

  1. Anwalt einschalten

Ein Anwalt kann Sie in dieser Situation umfassend beraten, Ihre Chancen vor Gericht einschätzen und mögliche Verhandlungen, wie z.B. über eine Abfindung, führen. Oft kann durch außergerichtliche Verhandlungen mittels eines Anwalts bereits eine einvernehmliche Lösung gefunden werden, da Gerichtsverfahren für die meisten Arbeitgeber zeitaufwendig und kostspielig sind. 

5. Wann ist eine fristlose Kündigung wegen „Blaumachens“ wirksam?

Eine fristlose Kündigung wegen „Blaumachens“ kann in Fällen wirksam sein, in denen Arbeitnehmer schwerwiegend gegen ihre arbeitsrechtlichen Pflichten verstoßen.

Folgende Punkte können bei fristlosen Kündigungen Berücksichtigung finden:

  • Verschuldensgrad
  • Wiederholungsgefahr
  • Reichweite des Vertrauensverlustes

Beispiele in denen eine fristlose Kündigung wegen „Blaumachen“ gerechtfertigt sein kann:

  • Mehrfaches, wiederholtes Fernbleiben von der Arbeit nach Abmahnungen dieses Verhaltens
  • Krankmeldung mit Vorlage einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung nach Ablehnung eines Urlaubsantrags

Bei fristlosen Kündigungen muss der Arbeitgeber weder vorher abmahnen noch eine Kündigungsfrist einhalten (§ 626 BGB). Der Arbeitgeber muss nach Kenntnis des Kündigungsgrundes die Kündigung allerdings innerhalb von zwei Wochen aussprechen.

6. Häufige Fragen zur Kündigung wegen vorgetäuschter Arbeitsunfähigkeit

a) Wie kann mein Arbeitgeber nachweisen, dass ich „blau gemacht“ habe?

Ihr Arbeitgeber kann nachweisen, dass Sie „blau gemacht“ haben, indem er durch Beweismittel wie Detektivberichte oder Zeugenaussagen beweist, dass die Krankheit nur vorgetäuscht war. Kündigungen ohne klare Beweise sind unwirksam.

b) Kann ich mich nach Erhalt einer Kündigung vom Arzt krankschreiben lassen?

Lassen Sie sich nach Erhalt einer Kündigung von Ihrem Arzt krankschreiben um vor Beginn einer neuen Tätigkeit „blau machen“ zu können kann der Beweiswert Ihrer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung erschüttert werden.

Der Beweiswert einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung kann erschüttert werden, wenn der Zeitraum der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung passgenau mit dem Datum des Zugangs der Kündigung bis zum Ende des Arbeitsverhältnisses zusammenfällt und der Arbeitnehmer anschließend eine neue Beschäftigung anfängt (BAG 13.12.2023 – 5 AZR 137/23).

c) Kann eine fristlose Kündigung bei „Blaumachen“ gerechtfertigt sein?

Ja, in schweren Fällen kann eine fristlose Kündigung gerechtfertigt sein. Dabei muss ein besonders gravierender Vertrauensbruch vorliegen. Regelmäßig muss allerdings Kündigungen wegen „Blaumachens“ eine Abmahnung vorhergehen.

d) Kann ich gegen die Kündigung wegen vorgetäuschter Arbeitsunfähigkeit vorgehen?

Ja, Sie innerhalb von drei Wochen können Sie nach Erhalt der Kündigung eine Kündigungsschutzklage beim Arbeitsgericht einreichen, um die Rechtmäßigkeit der Kündigung gerichtlich prüfen zu lassen. Schalten Sie einen Anwalt ein, um Fehler zu vermeiden.

e) Kann mein Anspruch auf Arbeitslosengeld gesperrt werden?

Ja, bei einer Kündigung wegen „Blaumachens“ kann die Agentur für Arbeit eine Sperrzeit verhängen. Das Verhalten im Rahmen vorgetäuschter Arbeitsunfähigkeit kann als selbstverschuldete Arbeitslosigkeit gewertet werden. Sie können sich gerne bei der Agentur für Arbeit näher hierzu informieren.

f) Ist eine Kündigung wegen vorgetäuschter Krankheit auch ohne vorherige Abmahnung möglich?

Ja, eine Kündigung wegen vorgetäuschter Krankheit ist auch ohne vorherige Abmahnung möglich. Allerdings ist eine Kündigung ohne vorherige Abmahnung nur in besonders schwerwiegenden Fällen gerechtfertigt. Normalerweise muss der Arbeitgeber zunächst abmahnen.

g) Ist es erlaubt, dass mein Arbeitgeber einen Detektiv beauftragt, um mich zu überwachen?

Ja, der Arbeitgeber darf bei einem konkreten Verdacht auf „Blaumachen“ einen Detektiv beauftragen, um Beweise zu sammeln. Die Überwachung muss jedoch verhältnismäßig und rechtlich zulässig sein.

7. Rechtsprechung zum Thema vorgetäuschte Arbeitsunfähigkeit#

  • Ist ein Arbeitnehmer während einer ärztlich attestierten Arbeitsunfähigkeit schichtweise einer Nebenbeschäftigung bei einem anderen Arbeitgeber nachgegangen, so kann je nach den Umständen auch eine fristlose Kündigung ohne vorherige Abmahnung gerechtfertigt sein. Ist in derartigen Fällen der Beweiswert des ärztlichen Attestes erschüttert bzw. entkräftet, so hat der Arbeitnehmer konkret darzulegen, weshalb er krankheitsbedingt gefehlt hat und trotzdem der Nebenbeschäftigung nachgehen konnte (BAG 26.08.1993 – 2 AZR 154/93).
  • Eine vom Arbeitgeber veranlasste verdeckte Überwachungsmaßnahme zur Aufdeckung eines auf Tatsachen gegründeten konkreten Verdachts einer schwerwiegenden Pflichtverletzung des Arbeitnehmers kann nach § 32 Abs. 1 Satz 1 BDSG zulässig sein (BAG 29.06.2017 – 2 AZR 597/16).
  • Erschütterung des Beweiswerts einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung (hier bejaht): Im Hinblick auf das Vortäuschen einer Arbeitsunfähigkeit müssen angesichts des hohen Beweiswertes einer ärztlichen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung zumindest begründete Zweifel an der Richtigkeit dieser ärztlichen Bescheinigung aufgezeigt werden, um den Beweiswert der Bescheinigung zu erschüttern (LAG Köln 07.07.2017 – 4 Sa 936/16; BAG 19.02.2015 – 8 AZR 1007/13).
  • Einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung, die in einem Land außerhalb der Europäischen Union ausgestellt wurde, kommt im Allgemeinen der gleiche Beweiswert zu wie einer in Deutschland ausgestellten Bescheinigung. Die Bescheinigung muss jedoch erkennen lassen, dass der ausländische Arzt zwischen einer bloßen Erkrankung und einer mit Arbeitsunfähigkeit verbundenen Krankheit unterschieden und damit eine den Begriffen des deutschen Arbeits- und Sozialversicherungsrechts entsprechende Beurteilung vorgenommen hat (BAG 19.02.1997 – 5 AZR 83/96).

Eine Kündigung wegen vorgetäuschter Arbeitsunfähigkeit ist ein schwerwiegender Schritt. Klare Beweise und die Einhaltung rechtlicher Vorgaben werden vorausgesetzt. Lassen Sie sich bei Erhalt einer solchen Kündigung umgehend anwaltlich von uns beraten, um die Wirksamkeit Ihrer Kündigung zu prüfen, die Erfolgsaussichten einer Kündigungsschutzklage abzuwägen und Ihre Rechte vor Gericht zu verteidigen.