Kündigungen und Kündigungsschutzklagen

Verdachtskündigung

Wurden Sie wegen des Verdachts auf Diebstahl ohne Beweise fristlos gekündigt, obwohl Sie unschuldig sind? Oder möchten Sie sich gegen eine Verdachtskündigung wehren, da Voraussetzungen, wie die Frist zur Anhörung des Betriebsrats nicht eingehalten wurde?

Bei der Verdachtskündigung handelt es sich um eine besondere Form der außerordentlichen Kündigung. Oftmals besteht in diesen Fällen ein schwerwiegender Verdacht gegen einen Arbeitnehmer, dieser Verdacht kann allerdings nicht eindeutig bewiesen werden.

Nachfolgend erläutern wir, was eine Verdachtskündigung ist (dazu unter 1.), welche Voraussetzungen im Detail bei einer Kündigung vorliegen müssen, wie sich das Schema darstellt (dazu unter 2.) und ob Verdachtskündigungen auch ohne Abmahnung wirksam sein können (dazu unter 3.). Weiterhin erklären wir, wie sich Arbeitnehmer gegen Kündigungen wehren können (dazu unter 4.) und stellen praktische Beispiele in diesem Zusammenhang dar (dazu unter 5.).

Anschließend beantworten wir häufige Fragen (dazu unter 6.) und geben einen Überblick über relevante Urteile (dazu unter 7.).

1. Was ist eine Verdachtskündigung?

Verdachtskündigungen liegen vor, wenn der Arbeitgeber einen Arbeitnehmer aufgrund eines schwerwiegenden Verdachts kündigt, der darauf hindeutet, dass der Arbeitnehmer eine schwerwiegende Pflichtverletzung begangen haben könnte.

Dabei ist der Verdacht zwar nicht durch eindeutige Beweise erhärtet, aber so gravierend, dass dem Arbeitgeber eine Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unzumutbar erscheint.

Verdachtskündigungen erfordern allerdings besondere Sorgfalt, da Arbeitgeber verpflichtet sind, Arbeitnehmer vorher anzuhören und den Verdacht zu konkretisieren.

Beispiel:

In einem Supermarkt kommt es regelmäßig zu erheblichen Fehlbeträgen in der Kasse. Es gibt keine direkten Beweise gegen einen bestimmten Mitarbeiter, jedoch deuten zahlreiche Umstände darauf hin, dass dieser für die Unregelmäßigkeiten verantwortlich sein könnte. Beispielsweise entstehen die Fehlbeträge meist an den Tagen, an denen der in Verdacht stehende Mitarbeiter an der Kasse arbeitet. In einem solchen Fall könnte eine Verdachtskündigung ausgesprochen werden.

2. Was sind die Voraussetzungen für eine Verdachtskündigung?

An Verdachtskündigungen sind besonders hohe Anforderungen zu stellen.

Damit eine Verdachtskündigung insofern wirksam ist, müssen verschiedene insbesondere folgende Voraussetzungen vorliegen:

Dringender Tatverdacht eines erheblichen Pflichtverstoßes

Der Verdacht eines erheblichen Pflichtverstoßes muss so stark sein, dass der Arbeitgeber ernsthaft an der Vertrauenswürdigkeit des Arbeitnehmers zweifelt. Dabei ist keineswegs ausreichend, dem Arbeitgeber lediglich Vermutungen oder vage Indizien vorliegen. Der Verdacht muss auf objektiven und nachvollziehbaren Fakten beruhen, für den Verdacht muss eine große Wahrscheinlichkeit bestehen.

Erheblicher Pflichtverstoß

Der Verdacht muss sich auf ein Fehlverhalten beziehen, das eine erhebliche Pflichtverletzung darstellt (Beispiel: Diebstahl, Betrug, Untreue oder sonstige Straftat). Kleinere Vergehen oder Missverständnisse reichen in der Regel nicht aus, um eine Verdachtskündigung zu rechtfertigen.

Anhörung des Arbeitnehmers und Betriebsrat

Damit eine Verdachtskündigung wirksam ist, muss der Arbeitgeber den betroffenen Arbeitnehmer zwingend anhören und ihm die Gelegenheit geben, sich zu den Vorwürfen zu äußern. In dieser Anhörung können beispielsweise eventuelle Missverständnisse oder Fehlinterpretationen aufgeklärt werden. Ohne vorherige Anhörung des Arbeitnehmers, ist die Verdachtskündigung unwirksam. Dabei ist zu beachten, dass auch der Betriebsrat, wie vor jeder Kündigung, ebenfalls angehört werden muss.

Verhältnismäßigkeit und Interessensabwägung

Eine Verdachtskündigung muss zudem verhältnismäßig sein. Das bedeutet, dass Arbeitgeber prüfen müssen, ob es mildere Maßnahmen gibt, die zur Verfügung stehen. Beispielsweise könnte in weniger schwerwiegenden Fällen eine Abmahnung oder Versetzung ausreichen, bevor der Arbeitgeber zur Kündigung greift.

3. Kann eine Verdachtskündigung ohne Abmahnung wirksam sein?

Bei Verdachtskündigungen sind regelmäßig Abmahnungen nicht erforderlich, da es sich um besonders schwerwiegende Fälle handelt, bei dem der Arbeitgeber den Verdacht einer erheblichen Pflichtverletzung oder Straftat vermutet.

Abmahnungen dienen grundsätzlich dazu, den Arbeitnehmer auf Fehlverhalten hinzuweisen und ihm die Möglichkeit zu geben, dieses zu korrigieren. Bei einer Verdachtskündigung geht es jedoch um den Vertrauensverlust aufgrund eines ernsthaften Verdachts, der so gravierend ist, dass dem Arbeitgeber unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist oder bis zu der vereinbarten Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht zugemutet werden kann. (§ 626 BGB).

4. Was tun bei Verdachtskündigung?

Haben Sie eine Verdachtskündigung erhalten? Dann haben Sie verschiedene rechtliche Möglichkeiten, um sich dagegen zu wehren.

Hier sind die wichtigsten Schritte, die Sie als Arbeitnehmer kennen sollten:

a) Kündigungsschutzklage

Sie können innerhalb von drei Wochen nach Erhalt einer Verdachtskündigung eine Kündigungsschutzklage beim Arbeitsgericht einreichen bzw. von einem Anwalt einreichen lassen. Das Gericht prüft, ob die Kündigung rechtmäßig war und ob der Verdacht so gravierend war, dass er die Kündigung rechtfertigt. Oftmals entscheiden Gerichte zugunsten der Arbeitnehmer, wenn der Arbeitgeber den Verdacht nicht ausreichend erhärten kann. Verpassen Sie die Dreiwochenfrist, dann gilt die Kündigung als wirksam.

b) Wiedereinstellung oder Abfindung

Wenn gerichtlich festgestellt wird, dass die Verdachtskündigung unwirksam war, können Sie die Wiedereinstellung verlangen oder im Rahmen eines Vergleichs eine Abfindung aushandeln. In vielen Fällen enden solche Verfahren jedoch mit einer Einigung, bei der der Arbeitnehmer gegen Zahlung einer Abfindung das Unternehmen verlässt.

c) Arbeitszeugnis

Auch nach einer Verdachtskündigung haben Arbeitnehmer Anspruch auf ein qualifiziertes Arbeitszeugnis (§ 109 GewO). Arbeitgeber dürfen im Arbeitszeugnis keine Hinweise auf den Verdacht oder die Verdachtskündigung machen, solange die Vorwürfe nicht bewiesen sind.

Sie sollten sich in jedem Fall im Rahmen einer Kündigung anwaltlich beraten lassen, um Ihre Erfolgsaussichten vor Gericht bewerten zu lassen und ggf. eine kostengünstige, schnelle und außergerichtliche Lösung zu finden.

5. Verdachtskündigungen: Praktische Beispiele und Fallgruppen

In folgenden Beispielen und Fallgruppen können Verdachtskündigungen regelmäßig vorkommen:

a) Diebstahl

Verschwinden in einem Unternehmen regelmäßig Gegenstände und ein Arbeitnehmer steht unter Verdacht, dann kann eine Verdachtskündigung ausgesprochen werden. Allerdings nur, wenn der Verdacht hinreichend stark ist. Arbeitgeber tragen jedoch die Beweislast und müssen nachweisen, dass keine anderen Personen als Täter infrage kommen.

b) Arbeitszeitbetrug

Gibt ein Arbeitnehmer seine Arbeitszeiten falsch an oder macht häufige und lange Pausen, dann kann dies auf Seiten des Arbeitgebers den Verdacht auf Arbeitszeitbetrug erwecken. Wenn die Wahrscheinlichkeit des Verdachts stark genug ist, kann auch dies zur Verdachtskündigung führen.

c) Vertrauensbruch

Im Finanzwesen oder bei der Arbeit mit sensiblen Daten, kann bereits der Verdacht auf einen schwerwiegenden Vertrauensbruch, eine Verdachtskündigung rechtfertigen (Beispiel: unautorisierter Zugriff auf Daten). In solchen Branchen ist es essenziell, dass der Arbeitgeber auf das Vertrauensverhältnis zwischen ihm und Arbeitnehmern besonderen Wert legt.

d) Untreue

Bei Verdacht auf Untreue (Beispiel: unbefugte Transaktionen) können Arbeitgeber ebenfalls Verdachtskündigungen in Betracht ziehen. Auch hier muss der Verdacht stichhaltig sein und auf nachvollziehbaren Indizien basieren dessen Wahrscheinlichkeit sehr hoch sein muss.

6. Häufige Fragen zur Verdachtskündigung

a) Wie unterscheiden sich Verdachtskündigung und fristlose Kündigung?

Fristlose Kündigungen stützen sich auf klare, eindeutige Beweise für ein Fehlverhalten des Arbeitnehmers. Verdachtskündigungen hingegen, werden ausgesprochen, wenn ein schwerwiegender Verdacht besteht, dieser aber nicht zweifelsfrei bewiesen werden kann.

b) Kann ich mich gegen eine Verdachtskündigung wehren?

Ja, als Arbeitnehmer haben Sie das Recht, innerhalb von drei Wochen nach Erhalt der Kündigung eine Kündigungsschutzklage einzureichen. Ein Arbeitsgericht prüft dann, ob die Kündigung rechtmäßig ist. Verpassen Sie die dreiwöchige Frist, dann gilt die Kündigung als wirksam. Lassen Sie sich anwaltlich beraten, um Ihre Erfolgsaussichten überprüfen zu lassen und ggf. eine schnellere, außergerichtliche Lösung zu finden.

c) Muss der Arbeitgeber den Verdacht beweisen?

Im Rahmen von Verdachtskündigungen muss der Arbeitgeber den Verdacht nicht eindeutig beweisen. Er muss allerdings ausreichend Beweise vorlegen, die den Verdacht als gravierend und plausibel erscheinen lassen. Ein bloßes Bauchgefühl reicht nicht aus. Die Wahrscheinlichkeit des Vorliegens eines Pflichtverstoßes seitens des Arbeitnehmers muss sehr hoch sein.

d) Muss ich mich vor Gericht gegen die Vorwürfe verteidigen?

Im Rahmen einer Kündigungsschutzklage wird geprüft, ob der Verdacht gerechtfertigt war. Sie als Arbeitnehmer sollten alle entlastenden Umstände und Beweise vorlegen, die Ihre Unschuld belegen könnten.

e) Kann ich bei einer unwirksamen Verdachtskündigung eine Abfindung erhalten?

Es gibt zwar keinen gesetzlich geregelten Abfindungsanspruch. Häufig jedoch, einigen sich Arbeitnehmer und Arbeitgeber auf eine entsprechende Abfindung im Zusammenhang mit Kündigungen und Kündigungsschutzklagen. Abfindungsverhandlungen setzt Verhandlungsgeschick und oft auch Fachkundigkeit voraus, sodass Sie sich hier anwaltlich beraten lassen sollten. Nutzen Sie gerne unseren Abfindungsrechner, um einen gewissen Überblick über eine etwaige Abfindung zu erhalten.

7. Rechtsprechung zur Verdachtskündigung

  • Der schwerwiegende Verdacht einer strafbaren Handlung oder sonstigen schweren Pflichtverletzung kann einen wichtigen Grund zur außerordentlichen Kündigung bilden (BAG 13.3.2008 – 2 AZR 961/06).
  • Der Arbeitgeber kann eine den Verdacht der Tatbegehung verstärkende Tatsache – wie die Erhebung der öffentlichen Klage – auch dann zum Anlass für den Ausspruch einer Verdachtskündigung nehmen, wenn er eine solche schon zuvor erklärt hatte. Die Frist des § 626 Abs. 2 BGB beginnt mit ausreichender Kenntnis von der verdachtsverstärkenden Tatsache erneut zu laufen (BAG 27.01.2011 – 2 AZR 825/09).
  • Der dringende Verdacht einer schwerwiegenden Pflichtverletzung des Auszubildenden kann einen wichtigen Grund zur Kündigung des Berufsausbildungsverhältnisses nach § 22 Abs. 2 Nr. 1 BBiG darstellen (BAG 12.02.2015 – 6 AZR 845/13).
  • Der dringende Verdacht einer Pflichtverletzung kann eine ordentliche Kündigung aus Gründen in der Person des Arbeitnehmers iSv. § 1 Abs. 2 KSchG sozial rechtfertigen. Die Einsichtnahme in auf einem Dienstrechner des Arbeitnehmers gespeicherte und nicht als „privat“ gekennzeichnete Dateien setzt nicht zwingend einen durch Tatsachen begründeten Verdacht einer Pflichtverletzung voraus (BAG 31.01.2019 – 2 AZR 426/18).
  • Die Speicherung von Bildsequenzen aus einer zulässigen offenen Videoüberwachung, die vorsätzliche Handlungen eines Arbeitnehmers zulasten des Eigentums des Arbeitgebers zeigen, wird nicht durch bloßen Zeitablauf unverhältnismäßig, solange die Rechtsverfolgung durch den Arbeitgeber materiell-rechtlich möglich ist (BAG 23.08.2018 – 2 AZR 133/18).
  • Ein Zeitraum von weniger als zwei Arbeitstagen zur Abgabe einer Stellungnahme im Rahmen einer Anhörung vor Ausspruch einer Verdachtskündigung ist in der Regel unangemessen kurz. Das gilt umso mehr, wenn dem Arbeitgeber bekannt ist, dass sich der Arbeitnehmer regelmäßig anwaltlich vertreten lässt und der Arbeitnehmer zudem arbeitsunfähig krank ist (LAG Schleswig-Holstein 21.03.2018 – 3 Sa 398/17).
  • Die Einladung zur Anhörung vor Ausspruch einer Verdachtskündigung muss den Gegenstand des Gespräches beinhalten und den Mitarbeiter in die Lage versetzen, eine Vertrauensperson hinzuzuziehen (LAG Berlin-Brandenburg 30.03.2012 – 10 Sa 2272/11 ).

Wollen Sie sich gegen eine Verdachtskündigung Ihres Arbeitgebers wehren oder in diesem Zusammenhang beraten lassen? Dann melden Sie sich gerne bei uns, wir beurteilen Ihre Erfolgsaussichten vor Gericht und verteidigen Ihre Rechte.