Sind Sie sexueller Belästigung an Ihrem Arbeitsplatz ausgesetzt und fragen sich, was Sie in diesem Fall tun können, um sich zu wehren? Oder wollen Sie sich informieren, welche Rechte Sie haben und was für Konsequenzen im Falle einer arbeitsplatzbezogenen sexuellen Belästigung drohen können?
Im folgenden Artikel erläutern wir, wann eine sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz vorliegt (dazu unter 1.), was Sie in diesem Fall tun können (dazu unter 2.) und ob das AGG im Falle einer sexuellen Belästigung schützt (dazu unter 3.). Weiterhin erklären wir, ob sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz zur Kündigung führen kann (dazu unter 4.).
Anschließend beantworten wir häufige Fragen (dazu unter 5.) und geben einen Überblick über relevante Urteile (dazu unter 6.).
1. Wann liegt Sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz vor?
Sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz am Arbeitsplatz liegt gemäß § 3 Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz (AGG) bei einem unerwünschten, sexuell bestimmten Verhalten gegenüber einem Arbeitnehmer vor. Unter das sexuell bestimmte Verhalten zählen ebenso:
- Sexuelle Aufforderungen,
- Sexuell bestimmte körperliche Berührungen,
- Bemerkungen sexuellen Inhalts sowie unerwünschtes Zeigen und
- Sichtbares Anbringen von pornographischen Darstellungen
Auch wiederholte Einladungen zu Dates oder sexuelle Annäherungsversuche, die ausdrücklich abgelehnt wurden, gelten als sexuelle Belästigung.
Diese Verhaltensweisen verletzen die Würde der betroffenen Person, insbesondere, wenn dadurch ein von
- Einschüchterungen,
- Anfeindungen,
- Erniedrigungen,
- Entwürdigungen oder
- Beleidigungen
gekennzeichnetes Arbeitsumfeld geschaffen wird.
Beispiele für sexuelle Belästigung sind:
- Verbale Anzüglichkeiten wie sexuelle Kommentare oder Scherze
- Unerwünschte Berührungen wie das Anfassen von Körperteilen
- Aufdringliches Verhalten (Beispiel: unaufgefordertes Versenden von Fotos oder Nachrichten mit sexuellem Inhalt)
- Physische Übergriffe wie das Festhalten, Umarmen oder Küssen ohne Zustimmung
Solche Verhaltensweisen am Arbeitsplatz gelten dem AGG nach als Diskriminierung und sind gesetzlich verboten.
Merke: Sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz liegt grundsätzlich bei unerwünschten, sexuell bestimmten Verhalten vor.
2. Sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz: Was tun?
Wenn Sie sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz erleben oder erlebt haben, dann sollten Sie folgende Schritte unternehmen:
- Dokumentation des Vorfalls:
Zeichnen Sie Details wie Datum, Uhrzeit, Ort, beteiligte Personen/Zeugen und was genau passiert ist auf. Solche Aufzeichnungen können später wichtig sein, um den Vorfall glaubhaft nachzuweisen. Sollte es sich bei der sexuellen Belästigung um E-Mails oder Nachrichten auf Ihr Telefon handeln, dann speichern Sie diese unbedingt ab.
- Gespräch mit Arbeitgeber oder Betriebsrat suchen und Beschwerderecht:
Arbeitgeber sind gemäß AGG dazu verpflichtet, Belästigungen vorzubeugen und zu ahnden. Arbeitnehmer haben ein Beschwerderecht (§ 13 AGG) und können sich an eine Vertrauensperson, den Betriebsrat oder direkt an den Vorgesetzten wenden. Viele Unternehmen bieten zudem spezielle Anlaufstellen oder Ombudspersonen für Belästigungsfälle an.
- Externe Unterstützung suchen:
Wenn Ihr Arbeitgeber nicht handelt oder Ihnen keine Unterstützung bietet, dann können Sie externe Stellen wie einen Anwalt, die Antidiskriminierungsstelle, das Arbeitsgericht oder sogar die Polizei einschalten, um den Vorfall rechtlich prüfen zu lassen. Wenden Sie sich mit Ihrem Anliegen gerne an uns.
Merke: Dokumentieren Sie – soweit möglich – unbedingt den Vorfall zu Beweiszwecken!
3. Schützt das AGG vor Sexueller Belästigung am Arbeitsplatz?
Das AGG schützt ausdrücklich vor sexueller Belästigung am Arbeitsplatz und verpflichtet Arbeitgeber, Belästigungen durch angemessene Maßnahmen zu unterbinden und den belästigenden Arbeitnehmer zu sanktionieren. Jegliches unerwünschte Verhalten, das auf die sexuelle Sphäre abzielt und die Würde des Beschäftigten verletzt, gilt als Benachteiligung im Sinne des § 3 AGG und ist unzulässig.
Das AGG sieht vor, dass Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer das Recht haben, eine Beschwerde einzureichen und gegebenenfalls eine Entschädigung einzufordern. Arbeitgeber müssen zudem sicherstellen, dass solche Beschwerden ohne negative Konsequenzen für den Arbeitnehmer behandelt werden. Das Gesetz verpflichtet den Arbeitgeber, in Fällen von Belästigung am Arbeitsplatz tätig zu werden, beispielsweise durch Versetzung, Abmahnung oder fristloser Kündigung des Täters, um das Arbeitsumfeld sicher und respektvoll zu gestalten.
Merke: Arbeitgeber sind verpflichtet, sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz zu unterbinden und den belästigenden Arbeitnehmer zu sanktionieren.
4. Kann eine Sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz zur Kündigung führen?
Sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz kann sowohl zu einer ordentlichen als auch einer außerordentlichen Kündigung des belästigenden Arbeitnehmers führen. Erfährt der Arbeitgeber durch nachvollziehbare Beweise (Beispiel: Zeugenaussagen oder E-Mail-Verlauf) von einer sexuellen Belästigung, wird in der Praxis oft eine fristlose Kündigung ausgesprochen, da dies einen schwerwiegenden Verstoß gegen die arbeitsvertraglichen Pflichten darstellt. Mehr zu außerordentlichen Kündigungen erfahren Sie hier.
Gerichte bewerten die Schwere des Vorfalls und die Auswirkungen auf das Arbeitsklima. Während leichte Grenzüberschreitungen möglicherweise mit einer vorherigen Abmahnung geahndet werden können, rechtfertigen schwere oder wiederholte Vorfälle regelmäßig eine fristlose Kündigung. Arbeitnehmer, die sich diskriminiert fühlen, können den Arbeitgeber auffordern, geeignete arbeitsrechtliche Maßnahmen gegen die belästigende Person zu ergreifen.
Merke: Sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz kann eine fristlose Kündigung des belästigenden Arbeitnehmers begründen!
5. Häufige Fragen zur sexuellen Belästigung am Arbeitsplatz
a) Welche Anzeichen sprechen dafür, dass ich am Arbeitsplatz sexuell belästigt werde?
Sexuelle Belästigung kann in vielfältiger Weise auftreten und reicht von verbalen Kommentaren bis hin zu unerwünschten Berührungen. Ein Anzeichen kann sein, dass Sie sich im Beisein bestimmter Personen unwohl fühlen, ständig beleidigt oder auf Ihr Geschlecht reduziert werden. Auch „Scherze“ oder anzügliche Bemerkungen, die als solche getarnt sind, können eine sexuelle Belästigung und damit eine Benachteiligung im Sinne des AGG darstellen.
b) Muss ich Beweise für die sexuelle Belästigung sammeln?
Ja, in Fällen von sexueller Belästigung am Arbeitsplatz es ist hilfreich, die Vorfälle schriftlich festzuhalten und gegebenenfalls Beweise zu sammeln. Beweise können zum Beispiel durch Zeugen, Nachrichten oder E-Mails vorliegen, hierdurch kann der Vorfall später eindeutig belegt werden. Eine sorgfältige Dokumentation kann helfen, den Vorfall glaubwürdig darzustellen und rechtliche Schritte einzuleiten.
c) Gibt es eine Meldepflicht des Arbeitgebers bei sexueller Belästigung?
Der Arbeitgeber ist gesetzlich verpflichtet, auf Vorfälle von sexueller Belästigung am Arbeitsplatz zu reagieren und entsprechende Maßnahmen zum Schutz der Betroffenen zu ergreifen. Ein Arbeitgeber, der Belästigung bewusst ignoriert, riskiert, selbst rechtlich belangt zu werden.
d) Was sind die Konsequenzen, wenn mein Arbeitgeber meine Beschwerde nicht ernst nimmt?
Reagiert Ihr Arbeitgeber nicht angemessen auf Ihre Beschwerde hin, dann können Sie weitere Schritte unternehmen. Sie können den Vorfall beispielsweise bei der Antidiskriminierungsstelle melden oder eine Klage vor dem Arbeitsgericht erheben. Das AGG schützt Arbeitnehmer ebenfalls davor, aufgrund einer Beschwerde benachteiligt zu werden. Lassen Sie sich in diesem Rahmen unbedingt anwaltlich beraten, um Ihre Rechte wirksam zu verteidigen.
e) Kann meine Beschwerde bei meinem Arbeitgeber zu negativen Konsequenzen für mich führen?
Nein, Sie haben keine negativen Konsequenzen in diesem Zusammenhang zu befürchten. Das AGG schützt ausdrücklich vor negativen Konsequenzen. Arbeitnehmer, die sexuelle Belästigung melden, dürfen nicht wegen der Beschwerde benachteiligt werden. Sollte es dennoch zu negativen Folgen kommen, kann dies weitere rechtliche Schritte gegen den Arbeitgeber begründen.
f) Kann ich eine Entschädigung für sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz erhalten?
Ja, Sie können eine Entschädigungszahlung für sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz erhalten. Das AGG ermöglicht Entschädigungen bei Diskriminierung, einschließlich sexueller Belästigung. Die Höhe der Entschädigung variiert je nach Schwere des Vorfalls und kann bei besonders gravierenden Fällen höher ausfallen.
g) Müssen Arbeitgeber Präventionsmaßnahmen gegen sexuelle Belästigungen ergreifen?
Ja, Arbeitgeber sind dazu verpflichtet, präventive Maßnahmen gegen Belästigung zu ergreifen (Beispiel: Schulungen oder klare Verhaltensrichtlinien). So können Arbeitgeber frühzeitig gegen Belästigungen vorgehen und ein respektvolles Arbeitsumfeld sicherstellen.
h) Kann ich den Betriebsrat über sexuelle Belästigung informieren?
Ja, soweit bei Ihrem Arbeitgeber ein Betriebsrat besteht, ist der Betriebsrat eine wichtige Anlaufstelle und kann Unterstützung bei der Bearbeitung der Beschwerde bieten. Er ist verpflichtet, sich für den Schutz der Arbeitnehmer einzusetzen und kann den Arbeitgeber zu Maßnahmen auffordern, die die Arbeitsumgebung sicher und respektvoll gestalten.
6. Rechtsprechung zur sexuellen Belästigung am Arbeitsplatz
- Die absichtliche Berührung primärer oder sekundärer Geschlechtsmerkmale eines anderen ist sexuell bestimmt iSd. § 3 Abs. 4 AGG. Es handelt sich um einen Eingriff in die körperliche Intimsphäre. Auf eine sexuelle Motivation der Berührung kommt es nicht an (BAG 29.06.2017 – 2 AZR 302/16).
- Eine sexuelle Belästigung iSv. § 3 Abs. 4 AGG stellt nach § 7 Abs. 3 AGG eine Verletzung vertraglicher Pflichten dar. Sie ist „an sich“ als wichtiger Grund iSv. § 626 Abs. 1 BGB geeignet. Ob sie im Einzelfall zur außerordentlichen Kündigung berechtigt, ist abhängig von den Umständen des Einzelfalls, ua. von ihrem Umfang und ihrer Intensität (BAG 20.11.2014 – 2 AZR 651/13).
- Eine Kündigung aus wichtigem Grund wegen eines sexuellen Übergriffs ist gerechtfertigt, wenn nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme feststeht, dass ein männlicher Arbeitnehmer eine Kollegin mit einer Hand erst in ihren Schritt gefasst hat, sich dann selber in den Schritt fasst und anschließend „Oh, da tut sich ja was“ ausruft (LAG Köln 19.06.2020 – 4 Sa 644/19).
- Bei sexuellen Belästigungen hat der Arbeitgeber die zum Schutz der Mitarbeiter vorgesehenen gesetzlichen Maßnahmen zu ergreifen. Er hat dabei den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu beachten. Reicht eine Abmahnung nicht aus, um die Fortsetzung sexueller Belästigungen mit der gebotenen Sicherheit zu unterbinden und kommt eine Umsetzung oder Versetzung des Störers nicht in Betracht, kann der Arbeitgeber mit einer Kündigung auf die sittlichen Verfehlungen reagieren. Eine außerordentliche Kündigung ist allerdings nur angemessen, wenn der Umfang und die Intensität der sexuellen Belästigungen sowie die Abwägung der beiderseitigen Interessen diese Maßnahme rechtfertigen (LAG Hamm 22.10.1996 – 6 Sa 730/96).
- Wird mit der Äußerung eines Vorgesetzten gegenüber einem Untergebenen in Gegenwart eines Dritten der Eindruck erweckt, die sexuelle Orientierung des Angesprochenen solle ohne dessen Einverständnis offenbart werden, so stellt dies eine sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz und damit ein Dienstvergehen nach dem Beschäftigtenschutzgesetz dar. Obszöne Bemerkungen und damit sexuelle Belästigungen am Arbeitsplatz sind für einen Soldaten bereits dann unzulässig, wenn er sich nicht sicher sein kann, dass der/die damit konfrontierte Gesprächspartner/in dagegen keine Einwände hat (BVerwG 24.04.2007 – 2 WD 9.06).
- Bei einer sexuellen Belästigung hat die Arbeitgeberin vor Ausspruch einer Kündigung nach allgemeinen kündigungsrechtlichen Grundsätzen und § 4 Ziffer 1 BeschäftigtenschutzG zu prüfen, ob als mildere Maßnahme der Ausspruch einer Abmahnung in Frage kommt. Eine (echte) Druckkündigung setzt voraus, dass sich die Arbeitgeberin schützend vor den Arbeitnehmer stellt, dessen Entlassung verlangt wird. Dieses ist der Arbeitgeberin auch dann zuzumuten, wenn der Arbeitnehmer eine sexuelle Belästigung begangen haben soll (ArbG Hamburg 23.02.2005 – 18 Ca 131/04).
Fühlen Sie sich an Ihrem Arbeitsplatz von Kollegen oder Vorgesetzen sexuell belästigt und möchten sich informieren, was Sie in solchen Fällen tun können? Melden Sie sich gerne bei uns, wir helfen Ihnen, Ihre Rechte durchzusetzen und stehen beratend an Ihrer Seite.