Kündigungen und Kündigungsschutzklagen

Kündigung von Vertriebsmitarbeitern

Sind Sie im Vertrieb tätig und befürchten eine Kündigung wegen Umsatzrückgangs zu erhalten? Oder wollen Sie, da Ihnen aufgrund von Nichterreichung von Verkaufszielen gekündigt wurde überprüfen, ob Sie freigestellt werden können? Die Kündigung eines Vertriebsmitarbeiters oder Sales-Mitarbeiters, unabhängig, ob Arbeitnehmer oder Selbstständiger, bringt oft besondere Herausforderungen mit sich.

Nachfolgend erläutern wir, ob Vertriebs- bzw. Sales-Mitarbeiter als Angestellte oder Selbstständige einzustufen sind (dazu unter 1.), welche Kündigungsarten und Fristen bei Vertriebsmitarbeitern gelten (dazu unter 2.) und was Provisionen und Nachhangprovisionen sind (dazu unter 3.). Weiterhin erklären wir, wann eine Stufenklage Sinn macht (dazu unter 4.) und wie Sie sich als angestellter Vertriebsmitarbeiter am besten gegen eine Kündigung wehren (dazu unter 5.).

Anschließend beantworten wir häufige Fragen (dazu unter 6.) und geben einen Überblick über relevante Urteile (dazu unter 7.).

1. Arbeitnehmer oder Selbstständige im Vertrieb?

Vertriebsmitarbeiter können entweder als Arbeitnehmer (§§ 621 ff. BGB) oder als selbstständige freie Mitarbeiter (§ 84 HGB) tätig sein. Der Unterschied liegt darin, wie stark sie an Weisungen gebunden sind. Oft arbeiten Vertriebler

  • überwiegend eigenständig und
  • werden auf Provisionsbasis bezahlt,

weshalb es attraktiv scheint, eine freie Mitarbeit zu vereinbaren.

Arbeitgeber können auch entscheiden, ihren Vertrieb auszulagern und auf externe Dienstleister zu setzen. Dabei können angestellte Vertriebler angeboten bekommen, als selbstständige Handelsvertreter weiterzuarbeiten.

2. Welche Kündigungsarten und Fristen gelten bei Vertriebsmitarbeitern?

Für Sie als Mitarbeiter im Vertrieb oder Sales gelten grundsätzlich die gleichen Kündigungsregelungen wie für andere Arbeitnehmer auch. Zumindest dann, wenn Sie als Arbeitnehmer im Vertrieb tätig sind. Kündigungen sind daher entweder ordentlich oder außerordentlich möglich. Die Kündigungsfristen richten sich entweder nach den Vorgaben Ihres Arbeitsvertrages, eines anwendbaren Tarifvertrags oder nach den gesetzlichen Vorschriften. Mehr zu den einzelnen Voraussetzungen zu verhaltensbedingten Kündigungen können Sie hier lesen.

Im Gegensatz zu Angestellten im Vertrieb gilt für freie Vertriebsmitarbeiter nicht der allgemeine Kündigungsschutz aus dem Kündigungsschutzgesetz (KSchG). Für freie Mitarbeiter gelten hingegen die Regelungen aus dem Handelsgesetzbuch (§§ 84 ff. HGB).

Hier sind also folgende Kündigungsfristen bei unbefristeten Verträgen maßgeblich:

  • Erstes Jahr der Vertragsdauer: Frist von einem Monat,
  • Zweites Jahr: einer Frist von zwei Monaten und
  • Drittes bis Fünftes Jahr: Frist von drei Monaten.

Nach einer Vertragsdauer von fünf Jahren kann das Vertragsverhältnis mit einer Frist von sechs Monaten gekündigt werden. Auch bei freien Mitarbeitern kann von jedem Teil aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden.

Gründe für Kündigungen im Vertrieb können beispielsweise sein:

  • Missbrauch von Kundendaten: Unbefugter Zugriff auf Kundendaten kann z.B. zu einer fristlosen Kündigung führen.
  • Schlechte Leistungen: In der Praxis werden Vertriebsmitarbeiter oft aus leistungsbedingten Gründen gekündigt. Entweder sind die Umsätze stark gesunken oder bestimmte Ziele wurden nicht erreicht. Die Leistungen müssen für eine wirksame Kündigung allerdings so schlecht sein, dass man daraus schließen kann der Vertriebsmitarbeiter gebe sich keine Mühe mehr.
  • Spesenbetrug: Die Abrechnung von fingierten Kundenbesuchen oder nicht tatsächlich gefahrener Kilometer führt ebenfalls in der Praxis häufig zu Kündigung im Vertrieb. Die Rechtsprechung ist in diesen Fällen verhältnismäßig streng, sodass Arbeitgeber häufig eindeutige Beweise vorlegen müssen. Es müssen ausreichende Indizien vorliegen, damit der Verdacht begründet ist.
  • Outsourcing: Outsourcing führt regelmäßig zu betriebsbedingten Kündigungen der Arbeitnehmer im Vertrieb, da Arbeitgeber oftmals den Vertrieb auslagern und externe Handelsvertreter beschäftigen anstatt der angestellten Vertriebler.

3. Was sind Provisionen und Nachhangprovisionen im Vertrieb?

Vertriebsmitarbeiter bzw. Sales-Mitarbeitern erhalten regelmäßig hohe Provisionen, die oft einen erheblichen Teil Ihres Einkommens ausmachen. Dies kann oft den zentralen Punkt darstellen, weswegen Arbeitgeber Sie häufig „loswerden“ möchten, oder den Vertrieb versuchen, outzusourcen.

  • Reguläre Provisionen:

Diese werden in der Regel für vermittelte oder abgeschlossene Geschäfte während Ihrer Beschäftigung gezahlt. Im Falle einer Kündigung haben Sie Anspruch auf die Auszahlung aller Provisionen, die während des Arbeitsverhältnisses entstanden sind, auch wenn der Geldeingang erst nach Ihrer Kündigung erfolgt.

  • Nachhangprovision:

Häufig bleibt unklar, ob Sie auch für Geschäfte eine Provision erhalten, die nach dem Ende des Arbeitsverhältnisses zustande kommen, aber auf Ihre vorherige Tätigkeit zurückgehen. Grundsätzlich gilt: Haben Sie den entscheidenden Beitrag zum Abschluss des Geschäfts geleistet, steht Ihnen die Nachhangprovision zu, auch wenn das Geschäft erst nach Ihrer Kündigung abgeschlossen wird.

Verträge enthalten oft Klauseln zur Regelung der Nachhangprovision. Prüfen Sie daher Ihren Arbeitsvertrag genau oder lassen Sie diesen von einem Anwalt prüfen, um sicherzugehen, dass Ihnen keine Ansprüche entgehen.

4. Was ist eine Stufenklage zur Berechnung von Gewinnbeteiligungen?

Vertriebsmitarbeiter haben häufig Anspruch auf variable Vergütungsbestandteile, wie zum Beispiel Gewinnbeteiligungen. Diese können bei der Kündigung für rechtliche Auseinandersetzungen sorgen, da oft unklar ist, wie hoch der tatsächliche Betrag ist, der Ihnen zusteht.

In solchen Fällen kann es ratsam sein, eine Stufenklage einzureichen (§ 254 ZPO). Im Rahmen einer Stufenklage verlangen Sie

  • zunächst die Auskunft über die Berechnungsgrundlage für die Provision oder Gewinnbeteiligung
  • Sobald diese Auskunft vorliegt, können Sie in der zweiten Stufe der Klage die genaue Auszahlung fordern.

Beispiel:

Zunächst fordern Sie in einem ersten Schritt die Offenlegung der Umsätze und Margen, die Sie für das Unternehmen generiert haben. Danach können Sie den genauen Betrag berechnen lassen, den Sie als Gewinnbeteiligung verlangen.

Wenden Sie sich gerne an uns, wenn Sie sich in diesem Zusammenhang beraten bzw. vertreten lassen wollen.

5. Was tun, wenn Sie als Vertriebsmitarbeiter gekündigt wurden?

Wenn Sie als angestellter Vertriebsmitarbeiter gekündigt wurden, sollten Sie folgende Schritte in Erwägung ziehen:

  • Kündigungsschutzklage: Befürchten Sie, dass die Kündigung unrechtmäßig oder sozial ungerechtfertigt ist, dann können Sie innerhalb von drei Wochen nach Zugang der Kündigung eine Kündigungsschutzklage einreichen. Dies gilt insbesondere, wenn Sie in einem Unternehmen mit mehr als zehn Mitarbeitern beschäftigt sind und das Arbeitsverhältnis länger als sechs Monate bestanden hat (§ 1 KSchG). Wenn Sie die Dreiwochenfrist verstreichen lassen, gilt Ihre Kündigung als wirksam.
  • Anmeldung von Ansprüchen: Stellen Sie sicher, dass Sie alle ausstehenden Ansprüche, wie offene Provisionen oder Urlaubstage, rechtzeitig geltend machen. Nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses haben Sie nur eine begrenzte Zeit, um Ihre Ansprüche durchzusetzen.
  • Rechtliche Beratung: Lassen Sie sich in diesem Zusammenhang unbedingt von einem Anwalt für Arbeitsrecht beraten, um für Sie das beste Ergebnis zu erzielen.

Als freier Mitarbeiter können Sie im Falle einer unberechtigten Beendigung des Vertrags beispielsweise Schadensersatzansprüche oder Ausgleichsansprüche geltend machen. Ein Ausgleichanspruch besteht, wenn Sie gemäß § 89b HGB neue Kunden vermittelt oder bestehende Kundenbindungen verstärkt haben, wovon der Unternehmer auch nach der Kündigung profitiert. Dann haben Sie einen Anspruch auf einen finanziellen Ausgleich.

6. Häufige Fragen zur Kündigung von Vertriebsmitarbeitern / Sales-Mitarbeitern

a) Was passiert mit meinen Provisionsanspruch, wenn ich gekündigt werde?

Als Vertriebsmitarbeiter haben Sie Anspruch auf die Auszahlung aller Provisionen, die während des Arbeitsverhältnisses entstanden sind, auch wenn der tatsächliche Zahlungseingang erst nach Ihrer Kündigung erfolgt. Dies gilt insbesondere für Geschäfte, die Sie während Ihrer Tätigkeit vermittelt haben.

b) Was ist eine Nachhangprovision und wann habe ich Anspruch darauf?

Eine Nachhangprovision ist eine Provision, die für Geschäfte gezahlt wird, die erst nach dem Ende Ihres Arbeitsverhältnisses abgeschlossen werden, aber auf Ihre vorherige Tätigkeit zurückzuführen sind. Wenn Sie den wesentlichen Beitrag zum Geschäftsabschluss geleistet haben, steht Ihnen diese Provision zu. Es ist ratsam, Ihren Arbeitsvertrag genau zu prüfen, da oft spezielle Regelungen für Nachhangprovisionen enthalten sind.

c) Was passiert mit meinem Anspruch auf Gewinnbeteiligung bei einer Kündigung?

Ihr Anspruch auf eine Gewinnbeteiligung bleibt bestehen, solange er vertraglich geregelt ist. Die genaue Höhe kann oft erst nach der Kündigung bestimmt werden, da die Abrechnung des Gewinns später erfolgt. In diesen Fällen kann es hilfreich sein, eine Stufenklage einzureichen, um zunächst die Berechnungsgrundlage zu erfahren.

d) Kann ich mich als Arbeitnehmer im Vertrieb gegen eine Kündigung wehren?

Ja, Sie können sich als angestellter Mitarbeiter im Vertrieb gegen eine Kündigung wehren, indem Sie innerhalb von drei Wochen nach Zugang der Kündigung eine Kündigungsschutzklage erheben. Dies gilt insbesondere, wenn Sie unter den allgemeinen Kündigungsschutz fallen, d.h. Ihr Unternehmen mehr als zehn Mitarbeiter beschäftigt und Sie länger als sechs Monate angestellt waren. Verpassen Sie die Dreiwochenfrist gilt Ihre Kündigung als wirksam.

e) Muss der Betriebsrat meiner Kündigung zustimmen?

In Betrieben mit einem Betriebsrat muss dieser vor jeder Kündigung angehört werden. Stimmt der Betriebsrat der Kündigung nicht zu, kann der Arbeitgeber die Kündigung dennoch aussprechen, muss dies jedoch begründen. Eine fehlende Anhörung des Betriebsrats führt dazu, dass die Kündigung unwirksam ist.

f) Wann ist eine Abmahnung vor der Kündigung erforderlich?

Eine Abmahnung ist erforderlich, wenn es um Pflichtverletzungen geht, die nicht so gravierend sind, dass sie eine sofortige fristlose Kündigung rechtfertigen würden. Die Abmahnung soll den Arbeitnehmer auf sein Fehlverhalten hinweisen und ihm die Möglichkeit geben, dieses zukünftig zu unterlassen. Erst bei einer erneuten Pflichtverletzung kann dann eine Kündigung gerechtfertigt sein.

g) Was ist ein nachvertragliches Wettbewerbsverbot?

Ein nachvertragliches Wettbewerbsverbot ist eine Vereinbarung im Arbeitsvertrag, die Arbeitnehmer auch nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses daran hindern, in Konkurrenz zum ehemaligen Arbeitgeber zu treten. Hierfür wird regelmäßig eine Entschädigungszahlung (Karenzentschädigung) vereinbart. Es kann bis zu zwei Jahre vereinbart werden.

7. Rechtsprechung zur Kündigung von Vertriebsmitarbeitern / Sales-Mitarbeitern

  • Fristlose Kündigung eines Vertriebsmitarbeiters: Sendet ein Arbeitnehmer, der nach durchgeführten Vertragsverhandlungen unmittelbar vor Abschluss eines Arbeitsvertrages mit einem Konkurrenten steht, in ungewöhnlichem Umfang Mails mit betrieblichen Informationen an sein privates E-Mail Account, so kann die damit einhergehende unmittelbare Gefährdung der Geschäftsinteressen des Arbeitgebers in der Interessenabwägung bei der außerordentlichen Kündigung zugunsten des Arbeitgebers wirken (LAG Berlin-Brandenburg 16.05.2017 – 7 Sa 38/17).
  • Bei einer innerbetrieblichen Umstrukturierungsmaßnahme (hier: Einführung eines neuen Vertriebssystems) muss es im Hinblick auf betriebsbedingte Kündigungen dem Arbeitgeber überlassen bleiben, wie er sein Unternehmensziel möglichst zweckmäßig und kostengünstig am Markt verfolgt. Dazu gehört auch die Umgestaltung der zugrundeliegenden Vertragsform für die Vertriebsmitarbeiter (freies Mitarbeiterverhältnis statt Arbeitsverhältnis). Es ist Sache des Arbeitnehmers, der die Unwirksamkeit der auf einer solchen Maßnahme beruhenden Kündigung geltend macht, Umstände darzulegen, die die getroffene innerbetriebliche Strukturmaßnahme als offenbar unsachlich, unvernünftig oder willkürlich erscheinen lassen. Zu prüfen bleibt dabei allerdings, ob die Strukturmaßnahme tatsächlich durchgeführt worden ist (BAG 09.05.1996 – 2 AZR 438/95).
  • Grundsätzlich ist es auch möglich, die unternehmerische Entscheidung zu treffen, den Vertrieb zu outsourcen und mit externen Dienstleistern zu besetzen (BAG 13.03.2008 – 2 AZR 1037/06).

Sind Sie im Vertrieb tätig und wurden gekündigt? Als Vertriebsmitarbeiter sollten Sie sich im Falle einer Kündigung unbedingt rechtlich beraten lassen, insbesondere wenn es um Provisionen und variable Vergütungen geht. Wir prüfen gerne Ihre gerichtlichen und außergerichtlichen Erfolgsaussichten und verteidigen Ihre Rechte.