Wurde Ihnen wegen Diebstahls oder Unterschlagung fristlos gekündigt, ohne jegliche Beweise? Möchten Sie erfahren, ob Ihnen bei einer Kündigung wegen Diebstahls oder Unterschlagung eine Abfindung oder Arbeitslosengeld zusteht?
Selbst bei Sachen mit geringfügigem Wert kann ein Diebstahl zu einer fristlosen Kündigung führen, da dies das Vertrauensverhältnis zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer schwer beschädigt. Doch wann genau ist eine Kündigung wegen Diebstahls gerechtfertigt, und wie können Arbeitnehmer sich dagegen wehren?
In diesem Artikel erfahren Sie, wann ein Diebstahl oder eine Unterschlagung zu einer Kündigung führen kann (dazu unter 1.), wann eine Kündigung im Einzelfall gerechtfertigt ist (dazu unter 2.) und ob Arbeitnehmern dennoch ein Arbeitszeugnis zusteht (dazu unter 3.). Weiterhin erklären wir, wie sich Arbeitnehmer gegen Kündigungen wehren können (dazu unter 4.) und ob weiterhin ein Anspruch auf Arbeitslosengeld besteht (dazu unter 5.).
Im Anschluss beantworten wir häufige Fragen (dazu unter 6.) und geben einen Überblick über relevante Urteile (dazu unter 7.).
1. Wann führt Diebstahl oder Unterschlagung zur Kündigung?
Diebstahl oder Unterschlagung am Arbeitsplatz gilt als schwerwiegendes Fehlverhalten, das oft zur fristlosen Kündigung führt. Der materielle Wert des gestohlenen Gegenstands spielt dabei keine große Rolle, da hier der Vertrauensbruch zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber ausschlaggebend ist. Sowohl Diebstahl von Firmen- als auch Privateigentum von Kollegen kann zu einer Kündigung führen. Diebstahl kann sich auch auf geringwertige Gegenstände oder betriebliche Ressourcen erstrecken.
Beispiele:
- Geringwertige Sachen: Kugelschreiber, Notizblöcke, Druckerpapier, Mitnehmen von Lebensmitteln aus der Kantine ohne Bezahlung. Ausnahme: Lebensmittel, ausgesondert wegen bevorstehenden Ablaufs des Mindesthaltbarkeitsdatums (LAG Hamm 12.05.2011 – 8 Sa 1825/10).
- Unterschlagung von Firmeneigentum: Verwendung von Firmenfahrzeugen für private Fahrten, ohne Genehmigung. Unterschlagung von Geldbeträgen, die zur Weitergabe an den Arbeitgeber bestimmt sind, und Belegung mit falschen Rechnungen.
- Arbeitszeitfälschung: Falsches Ein- oder Ausstempeln.
- Elektronische Ressourcen: Unerlaubtes Kopieren von Firmendaten (Beispiel: Kundendatenbank oder interne Dokumente) zur privaten Nutzung oder für den Wettbewerb.
- Unterschlagung von Material: Bauarbeiter nimmt ohne Genehmigung regelmäßig Baumaterialien wie Zement, Holz oder Schrauben für private Projekte mit nach Hause.
Im sog. „Bienenstich-Fall“ nahm sich eine Arbeitnehmerin beispielsweise ein Stück Bienenstichkuchen und verzehrte es, ohne dafür zu bezahlen. Daraufhin wurde sie außerordentlich gekündigt. Das Bundesarbeitsgericht (BAG) erklärte die Kündigung für wirksam (BAG 17.05.1984 – 2 AZR 3/83). Auch die Entwendung von Zigarettenpackungen wurde als gerechtfertigter Grund für eine Kündigung angesehen, trotz langer Betriebszugehörigkeit (BAG 21.06.2012 – 2 AZR 153/11).
In all diesen Beispielen führt der Diebstahl oder die Unterschlagung zu einem unumkehrbaren Vertrauensverlust, der häufig die Grundlage für eine Kündigung bildet. Insbesondere bei wertvollen Gütern oder Geldbeträgen ist eine fristlose Kündigung ohne vorherige Abmahnung üblich. Bei geringwertigen Gegenständen wie Bürobedarf kann der Arbeitgeber auch eine Abmahnung aussprechen, bevor er zur Kündigung greift.
Merke: Diebstahl oder Unterschlagung am Arbeitsplatz kann unabhängig vom Wert der Sache eine fristlose Kündigung rechtfertigen. Entscheidend ist der Vertrauensverlust.
2. Welches sind die Voraussetzungen für eine Kündigung wegen Diebstahls oder Unterschlagung?
Verhaltensbedingte Kündigungen wegen Diebstahl oder Unterschlagung unterliegen bestimmten Voraussetzungen. Oft ist in diesen Fällen wegen des Vertrauensverlusts sogar eine fristlose Kündigung ohne Abmahnung gerechtfertigt.
Folgende Voraussetzungen müssen bei einer Kündigung vorliegen:
- Fristlose Kündigung: Diebstahl und Unterschlagung stellt in den meisten Fällen einen schwerwiegenden Vertrauensbruch dar. In den meisten Fällen ist daher eine außerordentliche Kündigung gerechtfertigt, da dem Arbeitgeber unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist oder bis zu der vereinbarten Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht zugemutet werden kann (§ 626 BGB). Eine vorherige Abmahnung ist in diesen Fällen regelmäßig nicht erforderlich.
- Beweislast beim Arbeitgeber: Ohne Beweise kann der Arbeitgeber nicht wirksam fristlos kündigen. Er muss den Diebstahl oder die Unterschlagung eindeutig nachweisen können. Vermutungen sind nicht ausreichend. Konkrete Beweise wie Überwachungsvideos, Zeugenaussagen oder Bestandsaufnahmen sind notwendig.
- Verhältnismäßigkeit: Ausnahmsweise, wie bei besonderen Umständen oder einem sehr geringfügigen Sachwert, kann eine Kündigung unverhältnismäßig sein. Dies wird von den Gerichten im Einzelfall geprüft. Arbeitgeber haben das Mildeste zur Verfügung stehende Mittel anzuwenden („ultima-ratio“), wie beispielsweise eine Abmahnung oder Versetzung.
Mehr zu den Voraussetzungen von verhaltensbedingten Kündigungen lesen Sie hier.
Merke: Ohne klare Beweise – wie Videoaufnahmen oder Zeugenaussagen – ist eine Kündigung wegen Diebstahls oder Unterschlagung oft unwirksam.
3. Haben Arbeitnehmer einen Anspruch auf ein Arbeitszeugnis bei Kündigung wegen Diebstahl oder Unterschlagung?
Arbeitnehmer haben grundsätzlich Anspruch auf ein das Recht auf ein schriftliches Arbeitszeugnis, das wohlwollend formuliert und inhaltlich korrekt sein muss, unabhängig vom Kündigungsgrund (§ 109 GewO).
Dabei sind einige wichtige Punkte zu beachten:
- Wahrheitsgemäß und wohlwollend:
Das Arbeitszeugnis muss sowohl der Wahrheit entsprechen als auch wohlwollend formuliert sein, sodass es Ihren beruflichen Werdegang nicht unnötig erschwert. Der Diebstahl oder das Fehlverhalten darf vom Arbeitgeber dabei nicht direkt erwähnen. Dennoch muss er den Grund der Kündigung so formulieren, dass es korrekt und indirekt erkennbar ist, falls dies erforderlich ist.
- Verdeckte Formulierungen:
Die negativen Gründe für eine Kündigung wie Diebstahl oder Unterschlagung können in manchen Fällen durch versteckte Formulierungen im Arbeitszeugnis angedeutet werden. Hierbei handelt es sich jedoch um eine rechtlich schwierige Praxis, die im Zweifel angefochten werden kann. Wenn Sie der Meinung sind, dass Ihr Arbeitszeugnis nicht den Anforderungen entspricht oder zu negativ formuliert ist, haben Sie das Recht, dieses anzufechten. Mehr zum Thema Arbeitszeugnisse erfahren Sie hier.
Merke: Arbeitnehmer haben auch nach einer Kündigung wegen Diebstahls Anspruch auf ein wohlwollendes und wahrheitsgemäßes Arbeitszeugnis.
4. Welche Rechte haben Arbeitnehmer bei dem Verdacht auf Diebstahl?
Bei dem Verdacht auf Diebstahl und einer Kündigung in diesem Zusammenhang sollten Sie sich umgehend fachkundig beraten lassen. Denn auch, wenn der Vorwurf schwerwiegend ist, haben Arbeitnehmer das Recht, sich gegen eine Kündigung wegen Diebstahls zu wehren.
- Kündigungsschutzklage: Dreiwochen Frist
Wenn Zweifel am Nachweis des Diebstahls bestehen oder Ihnen die Kündigung unverhältnismäßig erscheint, dann erheben Sie eine Kündigungsschutzklage vor dem für Sie zuständigen Arbeitsgericht. Die Klage muss innerhalb von drei Wochen nach Zugang der Kündigung bei Gericht eingegangen sein, ansonsten gilt die Kündigung – unabhängig der Richtigkeit der Vorwürfe – als wirksam.
- Anwaltliche Beratung: Ein erfahrener Anwalt kann Ihren Fall überprüfen und gegebenenfalls je nach Einzelfall eine außergerichtliche Einigung anstreben, z.B. eine Abfindung oder Wiedereinstellung.
Merke: Eine Kündigungsschutzklage muss innerhalb von drei Wochen nach Zugang der Kündigung eingereicht werden, sonst gilt sie als wirksam.
5. Was passiert mit dem Anspruch auf Arbeitslosengeld bei einer Kündigung wegen Diebstahl oder Unterschlagung?
Ob Ihnen nach einer Kündigung wegen Diebstahl oder Unterschlagung ein Anspruch auf Arbeitslosengeld zusteht, hängt von den Umständen des Einzelfalls ab. Regelmäßig wird Ihr Anspruch jedoch, da es sich um ein selbst verschuldetes Verhalten handelt, um eine Sperrzeit gekürzt.
Dabei gilt grundsätzlich:
- Sperrzeit
Stellt die Arbeitsagentur fest, dass der Arbeitnehmer die Kündigung durch sein Verhalten selbst verursacht hat, kann eine sog. „Sperrzeit“ von bis zu 12 Wochen verhängt werden. Diebstahl oder Unterschlagung kann von der Arbeitsagentur als versicherungswidriges Verhalten gewertet werden, da der Arbeitnehmer seine arbeitsvertraglichen Pflichten verletzt hat. In der Sperrzeit besteht kein Anspruch auf Arbeitslosengeld. Die genauen Umstände des Diebstahls oder der Unterschlagung spielen eine entscheidende Rolle bei der Entscheidung der Bundesagentur für Arbeit. Lassen Sie sich von der Arbeitsagentur hierzu beraten.
Merke: Nach einer Kündigung wegen Diebstahls droht eine Sperrzeit von bis zu 12 Wochen beim Arbeitslosengeld – eine Beratung kann helfen, Ausnahmen zu prüfen.
6. Häufige Fragen zur Kündigung wegen Diebstahls
a) Kann mein Arbeitgeber mir kündigen, wenn ich etwas mit geringem Wert entwendet habe?
Ja, auch geringwertige Gegenstände wie Büromaterial können einen Kündigungsgrund darstellen. Der Vertrauensbruch und nicht der materielle Schaden sind bei der Beurteilung entscheidend.
b) Muss vorher eine Abmahnung ausgesprochen werden?
Nein, in den meisten Fällen muss keine Abmahnung vorher ausgesprochen werden. Da es sich bei Diebstahl und Unterschlagung oft um ein schwerwiegendes Vergehen handelt, ist eine vorherige Abmahnung nicht erforderlich.
c) Was fällt unter Diebstahl am Arbeitsplatz?
Diebstahl am Arbeitsplatz stellt das unerlaubte Mitnehmen von Firmeneigentum oder Eigentum von Kollegen dar. Dabei spielt es keine Rolle, ob es sich um geringwertige oder teure Gegenstände handelt.
d) Wann kann eine Kündigung wegen Diebstahls oder Unterschlagung gerechtfertigt sein?
Eine Kündigung ist gerechtfertigt, wenn der Diebstahl oder die Unterschlagung das Vertrauensverhältnis zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer nachhaltig zerstört (§ 626 BGB).
e) Was passiert, wenn ich zu Unrecht des Diebstahls beschuldigt werde?
Sie sollten in Fällen, in denen Sie zu Unrecht beschuldigt werden, unbedingt rechtlich gegen die Kündigung vorgehen. Ein Anwalt für Arbeitsrecht kann Sie dabei unterstützen, Ihre Unschuld zu beweisen und Ihre Rechte vor Gericht zu verteidigen.
f) Kann ich eine Abfindung bei Kündigung wegen Diebstahls oder Unterschlagung erhalten?
Nein, regelmäßig wird kein Abfindungsanspruch bestehen. Bei einer fristlosen Kündigung wegen Diebstahls besteht kein Anspruch auf eine Abfindung, da das Arbeitsverhältnis aufgrund eines schweren Fehlverhaltens beendet wird. In Abfindungsverhandlungen spielen oftmals die Erfolgsaussichten vor Gericht im Rahmen einer Kündigungsschutzklage eine Rolle, die sich sehr geringhalten, wenn eine Straftat im Raum steht.
g) Erhalte ich nach einer Kündigung wegen Diebstahls Arbeitslosengeld?
In den meisten Fällen tritt bei einer Kündigung wegen Diebstahls eine Sperrzeit für den Erhalt von Arbeitslosengeld ein, da der Diebstahl als selbstverschuldeter Verlust des Arbeitsplatzes gilt. In dieser Zeit haben Sie keinen Anspruch auf Arbeitslosengeld.
h) Kann eine Verdachtskündigung bei Diebstahl ausgesprochen werden?
Ja, eine Verdachtskündigung kann ausgesprochen werden. Ist der Verdacht des Diebstahls stark genug, dann kann der Arbeitgeber eine Verdachtskündigung aussprechen. Diese sollte jedoch gut begründet sein, um rechtlich standzuhalten.
7. Rechtsprechung zur Kündigung wegen Diebstahls
- Das Verzehren eines Bienenstichs in geringfügigem Wert durch eine Verkäuferin, kann – je nach Einzelfall – eine fristlose Kündigung rechtfertigen (BAG 17.05.1984 – 2 AZR 3/83, sog. „Bienenstich-Fall“).
- Rechtswidrige und vorsätzliche Handlungen des Arbeitnehmers, die sich unmittelbar gegen das Vermögen des Arbeitgebers richten, können auch dann ein wichtiger Grund zur außerordentlichen Kündigung sein, wenn die Pflichtverletzung Sachen von nur geringem Wert betrifft oder nur zu einem geringfügigen, möglicherweise gar keinem Schaden geführt hat (BAG 10.06.2010 – 2 AZR 541/09, sog. „Fall Emmely“).
- Entwendet eine Verkäuferin Zigarettenpackungen aus dem Warenbestand des Arbeitgebers, kann dies auch nach längerer Beschäftigungsdauer eine Kündigung des Arbeitsverhältnisses rechtfertigen. Das aus einer verdeckten Videoüberwachung öffentlich zugänglicher Arbeitsplätze gewonnene Beweismaterial unterliegt nicht allein deshalb einem prozessualen Beweisverwertungsverbot, weil es unter Verstoß gegen das Gebot in § 6b Abs. 2 BDSG gewonnen wurde, bei Videoaufzeichnungen öffentlich zugänglicher Räume den Umstand der Beobachtung und die verantwortliche Stelle durch geeignete Maßnahmen kenntlich zu machen (BAG 21.06.2012 – 2 AZR 153/11).
- Diebstahl einer Tafel Schokolade durch Lageristen im Lebensmitteleinzelhandel, welche wegen bevorstehender Überschreitung des Mindesthaltbarkeitsdatums bereits ausgesondert und zur Abgabe für soziale Zwecke bestimmt war; Interessenabwägung bei langjähriger beanstandungsfreier Tätigkeit führt zur Unwirksamkeit der Kündigung (LAG Hamm 12.05.2011 – 8 Sa 1825/10).
Wenn Sie Fragen im Zusammenhang mit Kündigung wegen Diebstahl oder Unterschlagung haben oder die Erfolgsaussichten einer Kündigungsschutzklage bewerten lassen möchten, dann melden Sie sich gerne bei uns.