Sonstiges Arbeitsrecht

Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats

Sie sind Arbeitnehmer und möchten mehr über die Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats erfahren und wissen, wie diese Ihre Arbeitsbedingungen beeinflussen? Oder möchten Sie sich als Betriebsratsmitglied informieren, welche Rechte Ihnen zustehen und was für Pflichten Sie treffen?

Die Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats sind ein zentraler Bestandteil des Arbeitsrechts und gewährleisten, dass Arbeitnehmer aktiv an wichtigen Entscheidungen im Betrieb beteiligt werden. Sie sind im Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) geregelt und dienen dazu, die Interessen der Arbeitnehmer zu schützen und ein ausgewogenes Verhältnis zwischen Arbeitgeber und Belegschaft zu schaffen.

Im Folgenden werden die verschiedenen Arten der Mitbestimmung (dazu unter 1.), deren Anwendung in sozialen, personellen und wirtschaftlichen Angelegenheiten (dazu unter 2.–4.) sowie häufige Fragen dazu erläutert (dazu unter 5.). Im Anschluss stellen wir relevante Rechtsprechung hierzu dar (dazu unter 6.).

1. Was sind Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats?

Mitbestimmungsrechte sind gesetzlich verankerte Rechte, die es dem Betriebsrat ermöglichen, bei bestimmten betrieblichen Angelegenheiten mitzuwirken oder mitzuentscheiden. Diese Rechte sollen sicherstellen, dass die Interessen der Arbeitnehmer bei Entscheidungen des Arbeitgebers berücksichtigt werden.

Es wird zwischen verschiedenen Arten von Mitbestimmungsrechten unterschieden:

  • Mitbestimmung in sozialen Angelegenheiten (§ 87 BetrVG)
  • Mitwirkung und Mitbestimmung in personellen Angelegenheiten (§§ 99–102 BetrVG)
  • Mitbestimmung in wirtschaftlichen Angelegenheiten (§§ 106–110 BetrVG)

Mehr über die Betriebsratsgründung, dessen Voraussetzungen und Ablauf im Einzelnen erfahren Sie hier.

2. Mitbestimmung in sozialen Angelegenheiten

In sozialen Angelegenheiten hat der Betriebsrat ein echtes Mitbestimmungsrecht. Das bedeutet, dass der Arbeitgeber ohne die Zustimmung des Betriebsrats keine Maßnahmen ergreifen darf.

Typische Beispiele für mitbestimmungspflichtige Themen:

  • Regelungen zur Arbeitszeit (Beispiel: Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeit, Pausenregelungen)
  • Einführung von Überstunden oder Kurzarbeit
  • Aufstellung von Urlaubsplänen
  • Einführung und Nutzung technischer Überwachungseinrichtungen (Beispiel: Kameras oder Zeiterfassungssysteme)
  • Regelungen zur betrieblichen Ordnung (Beispiel: Verhaltensrichtlinien)

Praxisbeispiel:
Ein Arbeitgeber möchte ein neues Zeiterfassungssystem einführen, das die Arbeitszeiten der Mitarbeiter digital erfasst. Der Betriebsrat muss der Einführung zustimmen, da dies unter das Mitbestimmungsrecht gemäß § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG fällt.

3. Mitwirkung und Mitbestimmung in personellen Angelegenheiten

Der Betriebsrat hat auch bei personellen Entscheidungen des Arbeitgebers wichtige Rechte:

a) Einstellung, Versetzung und Eingruppierung (§ 99 BetrVG)

Der Arbeitgeber ist verpflichtet, den Betriebsrat vor jeder Einstellung, Versetzung oder Eingruppierung zu informieren und dessen Zustimmung einzuholen.

Der Betriebsrat kann die Zustimmung verweigern, wenn beispielsweise gesetzliche Vorschriften verletzt werden oder die Maßnahme zu einer Benachteiligung anderer Arbeitnehmer führt.

Die Zustimmungsverweigerung hat der Betriebsrat dem Arbeitgeber unter Angabe von Gründen innerhalb einer Woche nach Unterrichtung schriftlich mitzuteilen. Ansonsten gilt die Zustimmung als erteilt. Arbeitgeber können beim Arbeitsgericht beantragen, die Zustimmung ersetzen zu lassen.

b) Kündigungen (§ 102 BetrVG)

Vor jeder Kündigung muss der Arbeitgeber den Betriebsrat anhören und ihm die Gründe für die Kündigung mitzuteilen. Eine ohne Anhörung des Betriebsrats ausgesprochene Kündigung ist unwirksam.

Im Rahmen einer ordentlichen Kündigung muss der Betriebsrat seine Bedenken gegen die Kündigung dem Arbeitgeber innerhalb einer Woche schriftlich mitzuteilen. Ansonsten gilt die Zustimmung zur Kündigung als erteilt.

Rechte des Betriebsrats:

  • Der Betriebsrat kann der Kündigung widersprechen, wenn beispielsweise soziale Gesichtspunkte nicht ausreichend berücksichtigt wurden.
  • Ein Widerspruch des Betriebsrats hat jedoch keine aufschiebende Wirkung; der Arbeitgeber kann die Kündigung trotzdem aussprechen.

Praxisbeispiel:
Ein Arbeitgeber plant die Versetzung eines Mitarbeiters in eine andere Abteilung. Der Betriebsrat muss vorab informiert werden und der Maßnahme zustimmen. Lehnt der Betriebsrat die Versetzung ab, muss der Arbeitgeber die Einigungsstelle einschalten.

4.Mitbestimmung in wirtschaftlichen Angelegenheiten

In wirtschaftlichen Angelegenheiten hat der Betriebsrat vor allem Informations- und Beratungsrechte. Diese Rechte gelten insbesondere bei:

  • Betriebsänderungen (Beispiel: Stilllegung, Verlagerung oder Zusammenlegung von Betrieben)
  • Planung neuer Arbeitsplätze oder technischer Einrichtungen
  • Maßnahmen zur Beschäftigungssicherung

Betriebsänderungen und Interessenausgleich:
Wenn der Arbeitgeber eine Betriebsänderung plant, die erhebliche Nachteile für die Belegschaft mit sich bringt (Beispiel: (Massen-)Entlassungen), ist er verpflichtet, mit dem Betriebsrat einen Interessenausgleich und einen Sozialplan zu verhandeln (§§ 111, 112 BetrVG).

Praxisbeispiel:
Ein Unternehmen plant die Verlagerung eines Produktionsstandorts ins Ausland. Der Betriebsrat hat das Recht, umfassend informiert zu werden und kann Maßnahmen zur Abmilderung der Folgen für die Arbeitnehmer verlangen (Beispiel: Abfindungen oder Weiterbildungsmaßnahmen).

Lesen Sie gerne hier wie wir Sie umfassend als Betriebsrat unterstützen können.

5. Häufige Fragen zu den Mitbestimmungsrechten des Betriebsrats

a) Kann der Arbeitgeber Entscheidungen ohne den Betriebsrat treffen?

In mitbestimmungspflichtigen Angelegenheiten darf der Arbeitgeber Maßnahmen grundsätzlich nicht einseitig treffen. Fehlt die erforderliche Zustimmung des Betriebsrats, ist die Maßnahme unwirksam.

b) Was passiert, wenn der Betriebsrat seine Zustimmung verweigert?

Verweigert der Betriebsrat seine Zustimmung zu einer mitbestimmungspflichtigen Maßnahme, kann der Arbeitgeber die Einigungsstelle anrufen (vgl. § 76 Abs. 1 BetrVG) oder die Zustimmung im Einzelfall gerichtlich beantragen, ersetzen zu lassen. Die Einigungsstelle besteht aus einer paritätischen Besetzung beider Seiten sowie einem neutralen Vorsitzenden und entscheidet verbindlich über die Maßnahme.

c) Hat der Betriebsrat Mitbestimmungsrechte bei Kündigungen?

Bei Kündigungen hat der Betriebsrat lediglich ein Anhörungsrecht, kein Mitbestimmungsrecht. Kündigungen die ohne Anhörung des Betriebsrats ausgesprochen wurden sind unwirksam.

d) Kann der Betriebsrat Entscheidungen des Arbeitgebers blockieren?

Ja, im Rahmen der zwingenden Mitbestimmung kann der Betriebsrat Maßnahmen blockieren, indem er seine Zustimmung verweigert oder die Einigungsstelle anrufen lässt. In anderen Bereichen – etwa bei personellen Einzelmaßnahmen oder wirtschaftlichen Angelegenheiten – besteht zwar ein Beteiligungsrecht, die endgültige Entscheidung obliegt jedoch unter bestimmten Voraussetzungen dem Arbeitgeber.

6. Relevante Rechtsprechung zu den Mitbestimmungsrechten des Betriebsrats

  • Das Ergebnis eines Mitbestimmungsverfahrens auf Grundlage einer einstweiligen Verfügung bleibt nur vorläufig und entfaltet erst Wirkung, wenn im Hauptsacheverfahren rechtskräftig festgestellt wird, dass ein Mitbestimmungsrecht besteht; andernfalls ist das Ergebnis bedeutungslos. Das Nachschieben von Gründen im Mitbestimmungsverfahren ist unzulässig, und eine unzureichende Unterrichtung muss von der Personalvertretung innerhalb der Erklärungsfrist gerügt werden (VG Ansbach 09.09.2022 – AN 8 PE 22.167).
  • Das Betreiben einer Facebook-Seite für die Kinderklinik eines Universitätsklinikums kann aufgrund der untrennbar damit verbundenen Kommentarfunktion ein Mitbestimmungsrecht der Personalvertretung auslösen (BVerwG 4.5.2023 – 5 P 2.22).
  • Stimmt ein nicht tarifgebundener Arbeitgeber mit dem Betriebsrat die Prozentsätze für leistungsabhängige Gehaltsanpassungen ab, die den Mindest- und Höchstwert der Gehaltssteigerungen festlegen, unterliegt die Entscheidung, bestimmte Arbeitnehmer aus einzelnen Geschäftsbereichen hiervon auszunehmen, der Mitbestimmung nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG (BAG 21.2.2017 – 1 ABR 12/15).
  • Besteht grundsätzlich eine Ausschreibungspflicht, greift die Mitbestimmung wegen des Verzichts auf die Ausschreibung zu besetzender Stellen unabhängig davon ein, ob die Nichtvornahme der Ausschreibung nach dem zugrunde zu legenden speziellen Regelwerk auf einer zwingenden Ausnahme beruht oder ins Ermessen des Dienststellenleiters gestellt ist (BVerwG 19.12.2023 – 5 P 6.22).
  • Dem Betriebsrat steht kein Mitbestimmungsrecht zu, wenn der Arbeitgeber den Arbeitnehmern die private Nutzung von Smartphones während der Arbeitszeit untersagt, um eine ordnungsgemäße Arbeitsleistung sicherzustellen (BAG 17.10.2023 – 1 ABR 24/22).

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